Peeling und Poker (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
Arbeitgeber haben entweder nicht so genau nachgefragt, oder sie wussten Bescheid und wollten ihr eine zweite Chance geben.“
Nick schüttelte den Kopf. „Das werden wir wohl nie herausfinden, die Leute in der Klinik sind sehr verschwiegen. Hat Frau Fischer ein Alibi für die Tatzeit?“
„Ja, und zwar ein hieb- und stichfestes. Das Weiterbildungsseminar, an dem sie im Moment teilnimmt, begann am Dienstag, 6. November um 18 Uhr in Viktorsberg im Vorarlberg und dauert bis und mit heute. Es handelt sich um eine intensive Kurzzeittherapie, wo den Teilnehmern die Handys abgenommen werden und sie sich auch sonst möglichst von der Aussenwelt abschotten sollen. Sie war pünktlich zu Beginn da und hat keine Stunde gefehlt, das hat mir der Seminarleiter bestätigt. Sie kann also nicht unsere Mörderin sein.“
Pfister verschränkte die Arme vor seinem Wohlstandsbauch und bemerkte: „Meiner Meinung nach ist die Sache mit der Frau Doktor sowieso weit her geholt. Die Konfrontation in Las Vegas ist immerhin mehr als sechs Jahre her, und Truninger hatte das Ganze sicher längst vergessen. Schliesslich war sie nicht die einzige Spielsüchtige, die er zur Behandlung schickte. Hatten die beiden denn Kontakt, seit Viktoria Fischer wieder in der Schweiz war?“
„Keine Ahnung“, antwortete Nick. „Und du hast Recht, Truninger wollte nichts mehr von Viktoria wissen, sagt zumindest Ehrlicher. Für ihn war sie Geschichte. Aber ob das für unsere Frau Doktor auch gilt, werde ich herausfinden, sobald ich mit ihr reden kann, vermutlich am Montag. Wenn sie ihn nämlich wirklich hasste, dann könnte sie Sybille Senn dazu angestiftet haben, an ihrer Stelle den Mord zu begehen.“ Gespannt blickte er in die Gesichter seiner beiden Mitarbeitenden und wartete auf ihre Reaktion auf diese neue Hypothese.
„Möglich wäre es schon“, sinnierte Angela. „Allerdings hätte Doktor Fischer dann die ethischen Grundsätze ihres Berufsstandes mit Füssen getreten, und sie würde einen Ausschluss aus der Ärztegesellschaft riskieren.“
Pfister liess seine Augen nach oben rollen und sagte: „Ich weiss nicht, warum ihr euch auf die verrückte Senn und ihre Psychiaterin versteift. An eurer Stelle würde ich mir den schönen und aalglatten Herrn Ehrlicher einmal genauer anschauen. Findet ihr es nicht verdächtig, dass er uns seine ehemalige Geliebte so einfach ans Messer liefert?“
Er hat Recht, dachte Angela, und Nick sagte im selben Augenblick: „Ich glaube zwar, dass ich ihm trauen kann, aber ich kann durchaus falsch liegen. Vielleicht ist es jetzt angebracht, Angela, auch über Andrew Ehrlicher ein wenig im Internet zu recherchieren.“
Am späten Samstag Nachmittag verabschiedeten sich die drei: Pfister war mit seinen Kumpels im Kegelclub verabredet, Nick zog es nach Hause in seine Küche und zu Marina, und Angela wollte ein paar Runden joggen, bevor sie sich wieder an den Computer setzte. Sie vereinbarten, sich gegenseitig anzurufen, wenn es wichtige Neuigkeiten gab, aber für alle drei sollte der Sonntag ein freier Tag sein.
*
„Hallo Vicky? Hier spricht Andrew.“
„Andrew wer? Ich kenne keinen Andrew, mein letzter Bekannter dieses Namens ist im Jahr 2001 gestorben.“
„Hör auf mit diesem Blödsinn, Vicky, ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen.“
„Ich habe kein Interesse daran, mit Fremden etwas zu besprechen, danke.“
„Die Polizei wird spätestens am Montag bei dir auftauchen, Vicky, es geht um den Tod von Tom. Ich wollte dir nur sagen, dass sie schon mit mir gesprochen haben. Kommissar Baumgarten weiss, was in Las Vegas geschehen ist, und es könnte sein, dass er dich verdächtigt. Du musst ihm die Wahrheit sagen.“
„Ich habe mit dem Tod von Tom Truninger nichts zu tun, ich war in Österreich. Bye.“ Sie hängte auf. Ihr Herz schlug schneller als sonst, es rauschte in ihren Ohren, sie musste sich hinsetzen.
Im Seminar hatte sie sich lange und intensiv mit ihren persönlichen Verhaltensmustern auseinander gesetzt und damit, woher sie kamen. Es war hart, sich mit seinen eigenen Schattenseiten und denen der Eltern zu konfrontieren, Viktoria war an ihre Grenzen gelangt, hatte viel geweint und fühlte sich auch jetzt noch sehr dünnhäutig. Als sie von Stephan Müller erfuhr, das Sybille Senn sich umgebracht hatte, war sie so mit sich selbst beschäftigt, dass die Nachricht gar nicht bis zu ihr durchdrang. Erst als sie am gleichen Abend von Stephan hörte, dass Sybille des Mordes an Tom Truninger verdächtigt
Weitere Kostenlose Bücher