Peeling und Poker (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
Geschicklichkeitstests, und am Dienstag erhalten Sie die Liste der ernsthaften Kandidatinnen und Kandidaten. Sie wählen aus, wen Sie zu einem Gespräch sehen möchten.“
„Schöne Frauen dabei?“
„Selbstverständlich.“ Und vor allem gut qualifizierte, die wir dringend brauchen, du Macho – Elena konnte sich nur knapp eine bissige Bemerkung verkneifen.
„Danke, Elena, gute Arbeit. Ich habe jetzt eine externe Besprechung und möchte Sie so gegen sieben Uhr nochmals sehen, um den Workshop mit den Spielsüchtigen zu besprechen. Bitte halten Sie sich zu meiner Verfügung.“
Womit meine Flamenco-Stunde wieder mal im Eimer wäre, nur weil er von seinen Kadermitarbeitern den gleichen Einsatz verlangt wie von sich selbst, seufzte Elena in Gedanken. Ein attraktiver, energiegeladener Wirbelwind war er – und manchmal ein skrupelloses Ekel. Muss man wahrscheinlich in seiner Position sein, um Erfolg zu haben, dachte sie resigniert und rief ihre Tanzlehrerin an.
Donnerstag, 8. November 2007
Dienstchef Nick Baumgarten und Korporal Angela Kaufmann waren auf dem Weg nach Küttigen zu Maggie Truninger.
„Kirchbergstrasse, das muss eine der Terrassensiedlungen sein, die mit der tollen Aussicht“, sagte Angela. „Als sie vor fünf Jahren gebaut wurden, kostete jedes Haus schon eine Million.“
„Das konnte sich Truninger durchaus leisten“, antwortete Nick, „er verdiente als Geschäftsführer rund zweihunderttausend Franken im Jahr, ohne Bonus. Die Personalchefin hat mir gesagt, dass seine Erfolgsbeteiligung sich in den letzten drei Jahren auf eine ähnliche Summe belief; sie ist an guten Geschäftsgang gekoppelt. Also hatte er genügend Geld, um von einer Bank eine Hypothek zu bekommen und die Zinsen zu zahlen. Sogar die Amortisation liegt noch drin, selbst bei einem angenehmen Lebensstil.“
„Fast eine halbe Million“, seufzte Angela, „wesentlich weniger als gewisse Topmanager in unserem Land, aber deutlich mehr als kantonale Polizeibeamte ...“
Sie parkten auf einem der Besucherplätze und drückten auf die Klingel, die mit ‚Thomas, Margarete und Selma Truninger‘ angeschrieben war. Das Kind ist wichtig, dachte Angela, und schon klang es aus der Gegensprechanlage: „Ja, bitte?“
„Kriminalpolizei Aargau, Frau Truninger, wir haben telefoniert.“
„Ich schicke Ihnen den Lift, es ist das zweitoberste Haus, Knopf 6.“
„Nicht nötig, wir nehmen die Treppe“, rief Angela und ignorierte den schiefen Blick ihres Chefs. „Ein bisschen Training tut dir gut, dann schlägt der gute Wein nicht so auf den Bauch.“ Baumgarten war mit seinen fünfundfünfzig Jahren zwar nicht unsportlich, aber längst nicht mehr so fit wie nach der Polizeischule. Treppensteigen war gut fürs Herz, das hatte ihm beim letzten Gesundheitscheck auch der Polizeiarzt gesagt. „Aber in meinem eigenen Tempo, du junges sportliches Ding, ich will nicht ausser Atem sein, wenn wir der trauernden Witwe begegnen.“
Als sie im sechsten Stock ankamen, schlug sein Herz ziemlich schnell, aber er liess sich nichts anmerken. Die Frau, die unter der Türe stand, war sehr blass und wirkte gleichzeitig gefasst. Sie führte die beiden Beamten in den grossen Wohnraum und bat sie, sich zu setzen. „Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten, oder lieber etwas anderes?“
Der Raum war grosszügig gestaltet: klare Linien, warme Farben kombiniert mit winterweiss, moderne Bilder an den Wänden und mit Rohseide bezogene Kissen auf den Sofas. Italienische Designmöbel, dachte Nick, wer von den beiden hat wohl den guten Geschmack? Er tippte auf Maggie Truninger, die Stil und Eleganz ausstrahlte: gross und schlank, die dunklen Haare im Nacken zusammengebunden, in einer schmalen schwarzen Hose und einem schwarzen Rollkragenpulli. Weder Makeup noch Schmuck waren zu sehen, Augen und Nase waren gerötet, aber ihre Gesten waren kontrolliert, und die Hände zitterten nicht, als sie den Kaffee servierte. Eine, die sich nicht gehen lässt, auch dann nicht, wenn ihre Welt zerbricht, schoss es Angela durch den Kopf. Haltung bewahren heisst die Devise.
„Wir möchten Ihnen unser Beileid aussprechen“, begann Nick und machte eine gebührende Pause. „Ich werde Ihnen erzählen, was wir wissen, und dann bitte ich Sie, uns ein paar Fragen zu beantworten.“
„Mama, warum ist Papa tot?“
Alle blickten hinüber zum Korridor, wo die Frage herkam. Die etwa sechsjährige Selma hatte die zierliche Gestalt und das Gesicht ihrer Mutter, aber ihre Zöpfe waren
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