Peeling und Poker (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
dem Stuhl fest.
„Entspannen Sie sich. Lassen Sie die Welt draussen und geniessen Sie meine Behandlung.“
„Sie haben recht, ich bin total nervös. Geben Sie mir das Handy, ich schalte es aus.“
Nach und nach gelang es ihr, sich gedanklich vom Casino zu lösen, und sie überliess sich den kompetenten Händen ihrer Kosmetikerin. Der angenehm heisse Dampf, der ihre Haut aufweichen sollte, reinigte auch ihre Atemwege und liess sie tief atmen. Als die sanften Finger mit der Gesichtsmassage begannen, schnarchte Elena bereits leise, und Marina konnte ohne Ablenkung konzentriert arbeiten. Ihre Gedanken kreisten um Diana, ihre Lehrtochter. Eine Kundin hatte sich über ihr Verhalten beschwert und verlangt, in Zukunft von einer anderen Kosmetikerin behandelt zu werden. Marina wollte heute noch mit Diana reden und ihre Seite der Geschichte anhören, obwohl sie wusste, dass das Gespräch kaum viel nützen würde. Diana war achtzehn, wunderschön und ziemlich überzeugt von sich selbst; sie liess nichts auf sich kommen und tat ihre Meinung jederzeit kund. Sie hatte noch nicht begriffen, dass Kundinnen und Kunden sich während und nach dem Besuch des Instituts schön fühlen sollten, egal ob alt oder jung, gut oder weniger gut aussehend.
„In der giftgrünen Bluse sehen Sie ziemlich krank aus, Frau Schwerzmann, da kann ich sogar mit Makeup nichts mehr machen“, war eine typische Diana-Feststellung – denken durfte sie solche Dinge, aber sie sollte den Mund halten. Nur, wie konnte man ihr das beibringen?
„Geht es besser mit Ihrer Lehrtochter?“ Elena Fuchs war erwacht und hatte den leisen Seufzer von Marina wohl gehört.
„Sie hört mir zu, aber sie hält Schonungslosigkeit, oder wie sie es nennt, Ehrlichkeit für wichtiger als Schmeichelei. Ich habe Ihren professionellen Rat befolgt und an Dianas Intelligenz appelliert, ihre guten Leistungen gelobt und ihr gleichzeitig klar gemacht, dass ich gewisse Verhaltensweisen nicht tolerieren werde. Genützt hat es wenig.“
„Dann müssen Sie ihr die Konsequenzen in aller Transparenz aufzeigen. Wenn sie ihr Verhalten nicht ändert, verliert sie die Lehrstelle. Sie kriegt eine letzte Verwarnung bei der nächsten Kundin, die sich beschwert, und die übernächste Beschwerde bedeutet das Ende der Zusammenarbeit. Ich würde das übrigens schriftlich festhalten und von Diana unterschreiben lassen.“ Aus ihren Worten sprach langjährige Erfahrung.
„Danke, Frau Fuchs, das werde ich tun. Vielleicht bringt diese Vereinbarung Diana dazu, ihr loses Maul zu zügeln. Ihre Haut hat sich übrigens tadellos erholt. Darf ich Sie für den Abend ein bisschen schminken?“
„Aber nur ganz dezent, ich muss noch zurück ins Büro.“
Du solltest ausgehen statt arbeiten, dachte Marina, deine Rolle als Personalchefin frisst dich auf, und das Leben geht an dir vorbei. Sie hielt selbstverständlich den Mund.
*
„Wissen wir eigentlich, wie es Sybille Senn geht?“ fragte Tom Truninger am Schluss der Besprechung mit seiner Personalchefin. Er sass zurückgelehnt in seinem Stuhl, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, die Jacke seines Boss-Anzugs hing an der Garderobe. Das weisse Hemd spannte leicht über der Taille wenn er sass, aber für seine fünfzig Jahre sah er ganz gut aus: muskulöse, etwas untersetzte Statur, volles schwarzes Haar mit einzelnen grauen Fäden, kantiges Gesicht, gepflegte Hände.
Elena wusste, dass er sich im Grunde nicht für die Person Sybille Senn interessierte. Es war Neugier, die ihn fragen liess. Trotzdem gab sie ihm detailliert Auskunft.
„Ihr Mann sagte mir vor ein paar Monaten, die Antidepressiva seien gut eingestellt, und ihre Ängste habe sie grösstenteils auch im Griff, aber an Arbeit sei für längere Zeit nicht zu denken. Jetzt habe ich gehört, dass sie im September erneut einen massiven Krankheitsschub erlitt und wieder in die psychiatrische Klinik eingeliefert werden musste, die Ärmste. Sie sei schreiend vor ihrer eigenen Katze davongelaufen, hat man mir gesagt. Ich hoffe wirklich, dass man ihr in Königsfelden helfen kann.“
„Und ich bin ehrlich gesagt froh, dass wir das Arbeitsverhältnis definitiv aufgelöst haben. Sind wir juristisch irgendwie exponiert?“
„Nein.“ Höchstens moralisch, dachte Elena Fuchs, aber für diese Art von Moral interessierte sich Truninger definitiv nicht, das wusste sie.
„Sehr gut. Und wo stehen wir mit der Rekrutierung der neuen Croupiers?“
„Am Montag läuft die zweite Runde der
Weitere Kostenlose Bücher