Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Dienstagsfrauen
Vom Netzwerk:
als sie in die Träger des Rucksacks schlüpfte. Ihr Lachen
klang falsch. Um nichts in der Welt wollte sie zugeben, dass der junge Mann an
ihrer Seite ihr Liebhaber war, der ihr peinlicherweise hinterhergereist war.
Trotzdem fühlte sie sich verpflichtet, eine Erklärung abzugeben.
    »Das ist«,
begann sie forsch, hielt inne und wandte sich, in der Hoffnung, dass Max sie
nicht bloßstellte, direkt an ihren Überraschungsgast: »Wie war gleich der
Name?«
    »Max
Thalberg«, half Estelle Kiki auf die Sprünge. »Du könntest dir wenigstens seinen
Namen merken, wenn du schon mit ihm schläfst.«
    Kiki blieb
der Mund offen stehen. Eigentlich hätte sie ahnen können, dass Estelle nicht
nur ihren Chef, sondern die ganze Familie Thalberg kannte.
    »Max ist
im Golfclub eine Legende, seit er den Rasenmäher geklaut und bei Loch Sieben
in den Ententeich gefahren ist«, klärte Estelle auf.
    Max
grinste frech. »Da war ich neun.«
    Eva
irritierte etwas anderes.
    »Wenn Kiki
ihren Freund mitnimmt, hätte ich Frido auch einladen können«, warf sie
beleidigt ein. Kiki wehrte sich heftig gegen die Unterstellung: »Ich habe Max
nicht eingeladen.«
    Estelle
fand das nicht weiter dramatisch:
    »Geschenkt,
Kiki, Hauptsache, du bist glücklich.«
    »Und ich
bin auch nicht glücklich«, brüllte Kiki. Sie stapfte energisch von dannen.
    Die
anderen Dienstagsfrauen folgten.
    Max trat
einen Moment unschlüssig von einem Bein aufs andere. Dann nahm er seine
Umhängetasche und folgte den Frauen in gebührendem Abstand.
     
    29
     
    »Der
Jakobsweg beschenkt den Wanderer mit aufregenden Begegnungen, eindrucksvollen
Landschaften und einem besonderen spirituellen Erlebnis«, hatte Eva in
Carolines Wanderführer gelesen. An diesem Tag beschenkte er die Dienstagsfrauen
mit einem Spaziergang durch das mittelalterliche Narbonne, das siebzehn
Kilometer entfernt von dem Strandort Narbonne Plage lag, wo sie am Vortag
gestartet waren. Eva beneidete die Touristen, die mit ihren Hausbooten auf dem
Canal du Robine durch einen gemütlichen Urlaub schaukelten. Die hatten die Muße
für die berühmte Kathedrale, für sonnige Straßencafés, für römische Reste und
französischen Alltag. Eva wäre am liebsten den ganzen Tag über den Markt
geschlendert, hätte die Stände mit lokalen Produkten bewundert, all das Gemüse,
das Obst, die Gewürze, die Fleischwaren und glänzenden Meeresfrüchte. Doch
nach dem Desaster vom Vortag bescherte der Jakobsweg den Dienstagsfrauen einen
straffen Zeitplan und eine wenig glanzvolle Strecke: Weiter ging es auf einer
viel befahrenen, planierten Ausfallstraße. Hinter den Industriebauten zu ihrer
Linken verlief die vierspurige Autobahn A 61, die das Mittelmeer mit dem
Atlantik verband. Diese Hitze! Dieser Gestank! Es war die Sorte Straße, die
einem schon beim puren Hinsehen in die Glieder fuhr und einem die Kraft raubte.
Glücklich schien allein Estelle. Auf der schnurgeraden Rennpiste erwies sich
ein Koffer mit Rollen als das einzig wahre Pilgeraccessoire.
    Eva konnte
an Judiths zusammengekniffenen Lippen ablesen, dass das Wort Autobahn in Arnes
Tagebuch vermutlich nicht vorkam. Lastkraftwagen rauschten an ihnen vorbei,
wirbelten ihnen trockenen Staub und Abgase ins Gesicht. Der Besitzer einer
Imbissbude, die aus einem unerfindlichen Grund Le barracuda hieß und laut
Anschrift »Salades, Frites, Panini et Grillades« anbot, pfiff ihnen anzüglich
hinterher. Arbeiter der danebenliegenden Autowerkstatt schoben ihre öligen
Baseballmützen nach hinten, um einen besseren Blick auf die ungewöhnliche
Damenformation zu haben. Ihre Mienen changierten zwischen neugierig und
spöttisch amüsiert. Die feixenden Gesichter verrieten, dass man auf dieser
Strecke nicht oft Wanderern begegnete, an deren Rucksäcken Jakobsmuscheln
baumelten. Vermutlich konnten sie gerade noch nachvollziehen, dass man nach
Graceland pilgerte, zur letzten Ruhestätte von Elvis. Aber zum Grab eines Apostels
laufen, der seit zweitausend Jahren tot war?
    Eva konnte
sich nur zu gut vorstellen, wie sie nach außen wirkten: fünf verwöhnte Frauen
aus wohlsituierten Verhältnissen, die pilgerten, weil sie alles andere in der
Welt schon getan und gesehen hatten. Wer weiß, vielleicht war sogar die
Ausstattung der Auberge Sainte Marie bewusst gewählt. Die kluge Ginette, die so
genau verstand, was Pilger bewegte, bot ihren Gästen genau das, was sie
suchten: Mühsal, schlechten Komfort und Unbequemlichkeiten. Das waren die Sorte
Erlebnisse, die sich zu Hause bei

Weitere Kostenlose Bücher