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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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vorne machte, schnappte Rosa nach ihr. Sie vermutete, dass
Eva mehr Köstlichkeiten in ihrem Rucksack verborgen hielt.
    Eva
brüllte ihre Verzweiflung heraus. »Mehr. Mehr. Mehr.
    Nie ist es
genug. Ich mach doch schon alles. Jetzt lass mich vorbei! Du blödes Vieh. Fous
le camp!«
    Das
Schwein wich ob der energischen Schimpfkanonade entsetzt zurück. Eva konnte
nicht glauben, wie ihr geschah. Rosa gab den Weg frei. Eva schulterte den
Rucksack, überrascht von ihrem plötzlichen Sieg, und kippte zum ersten Mal
nicht nach hinten. Noch eine neue Erfahrung.
    Ohne die
kiloschwere Verpflegung auf dem Rücken war es ein Leichtes, über das Gatter zu
klettern. Sie war auf der Straße. Die alten Männer, die wirkten, als wären sie
fest mit der Kirchenmauer verwachsen, reckten die faltigen Hälse und rückten
die Brillen näher vor die müden Augen: Endlich passierte hier was.
    Vorsichtig
schlich Eva am Eingang der Auberge entlang, als sie erneut aufgehalten wurde.
Die Herbergsmutter, die vor dem Haus rauchte, stellte sich ihr in den Weg. Aus
der Tasche ihres Kittels holte Ginette das verdreckte Telefon von Eva. Die
Hoffnung, dass niemand ihre Flucht bemerkt hatte, zerplatzte wie eine
Seifenblase. »Es gibt drei Sorten Pilger«, belehrte sie Ginette mit drohendem
Unterton. »Die Touristen, die von Erlebnis zu Erlebnis wandern, die
Spirituellen, die jeder Schritt ins eigene Herz führt...«
    Der Bus
rauschte an ihr vorbei in Richtung Haltestelle. Die Bustüren öffneten sich. Eva
schwankte zwischen Eile und Höflichkeit. Sie griff nach dem Telefon, doch ohne
religiösen Vortrag gab die Herbergsmutter das Gerät nicht frei. Hektisch
ratterte Eva die Ausflüchte herunter, die sie sich zurechtgelegt hatte.
»Selbstfindung war nie meine Sache. Meine Mutter sucht sich heute noch. Alles
hat sie ausprobiert. Überleben mit Mao, esoterischen Tanz, Tantrasex. Ich war
immer alleine. So eine Mutter will ich nicht sein. Eine, die pilgert, wenn die
Familie sie braucht.«
    Die
Herbergsmutter verstand. Ganz offensichtlich gehörte Eva in die dritte
Kategorie Pilger: »Und dann gibt es die Zauderer, die beim ersten Widerstand
nach einer Ausrede suchen.«
    In ihrem
Gesicht stand die Enttäuschung über Evas Schwäche. Oder bildete Eva sich das
ein? Egal. Wenigstens bekam sie ihr Telefon zurück.
    Eva raste
in Richtung Bus, hämmerte gegen die Tür und wurde zu ihrer großen Erleichterung
eingelassen.
     
    Erschöpft
ließ Eva sich auf den Platz fallen. Sie hatte es geschafft. Die wenigen
Mitreisenden rümpften die Nase über den Hauch von Schweinemist, der mit Eva in
den Bus zog. Eva merkte es nicht einmal. Hektisch reinigte sie das verdreckte
Display ihres Telefons. Zwanzig verpasste Anrufe, vermeldete ihre
Begrüßungsnachricht. Allesamt von ihrer eigenen Familie. Und drei von Regine.
Die erste Nachricht stammte von David. Ohne Umschweife brachte er sein Anliegen
vor. »Mama, hast du eine Ahnung, wo meine Tennissocken sind«, sagte er mit
vorwurfsvoller Stimme. »Ich hatte sie aufs Klavier gelegt, und jetzt sind sie
weg.«
    Der
ausladende Innenspiegel reflektierte das Antlitz des Busfahrers. Eva erstarrte.
Gab es geheime Doppelgänger? Goldkette und rosa Dienstoberhemd der Buslinie
konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Mann am Steuer eine exakte Kopie
von Frido war. Mit diabolischem Grinsen signalisierte der Fahrer, dass er
bereit war, sie nach Hause zu kutschieren.
     
    Der Bus
verließ den Dorfplatz. Ohne Eva.
    »Es ist
wie bei Rosa«, erklärte Eva der Herbergsmutter, die an Ort und Stelle
ausgeharrt hatte. »Man muss angeben, wo die Grenze ist. Sonst fressen sie einen
mit Haut und Haar.«
    Sie
drückte Ginette ihr Telefon in die Hand: »Wenn jemand anruft: Ich muss das
Handy wohl verloren haben. Zu dumm aber auch.«
    Die
Herbergsmutter lächelte zufrieden: »Und dann gibt es immer wieder Pilger, die
einen erstaunen.«
    Eva
strahlte. Sie hatte sich soeben selbst überrascht. Und das war schon lange
nicht mehr vorgekommen.
     
    26
     
    »Ich hatte
schon Angst, du packst den Rucksack und verschwindest heimlich«, gestand
Caroline, als Eva ihren Platz am Frühstückstisch einnahm. Dabei hatte Eva sich
bemüht, betont beschwingt den Frühstücksraum zu betreten. So, als hätte es
ihren Fluchtversuch nie gegeben. Es war schwer, der gewieften Anwältin etwas
vorzumachen.
    »Ich habe
den inneren Schweinehund besiegt«, bekannte Eva, »und das Schwein da draußen.
Was sind dagegen die paar Kilometer nach Lourdes.«
    Eva aß

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