Peetz, Monika
anfing. Nein,
Probleme lösen sich nicht von selbst. Ja, du hattest recht«, ratterte Kiki
eilig herunter.
Caroline
war verblüfft über die heftige Reaktion: »Niemand macht dir einen Vorwurf,
Kiki.«
Das war
auch nicht nötig. Kiki machte sich selbst Vorwürfe. Es gibt Leute, die meinen,
man könne Privates und Berufliches strikt trennen. Kiki hatte das nie
verstanden: Wie konnte man miteinander arbeiten, ohne dass Gefühle aufkamen?
Etwas zu entwerfen hatte damit zu tun, Gefühle in tastbare Gegenstände
umzusetzen.
Während
die Kollegen ihrem Schutt-und-Asche-Konzept Gestalt gaben, entwickelten Kiki
und Max einen Gegenvorschlag. Aus den Diskussionen über Dichte und
Transparenz, über Knallfarben und dezente Erdtöne, über Material und
Empfindungen wurde ein ausgelassenes Wortgeplänkel. Aus Frotzeleien unerwartete
Komplimente, aus verstohlenem Beobachten über Kaffeetassen hinweg lange Blicke
und scheinbar zufällige Berührungen. Sein Aftershave übertünchte den Mief im
Druckerraum, wo der Plotter das Ergebnis ihrer gemeinsamen Arbeit ausspuckte.
Ihre Köpfe berührten einander, als sie sich über die fertige Präsentation
beugten.
Es dauerte
drei Wochen, bis eine Reaktion von Thalberg kam. Kein Lob, kein Kommentar. Nur
die versteckte Mitteilung, dass der Chef ihr ab heute schwierigere Aufgaben
zutraute. Sie bekam eine E-Mail, in der Thalberg sie einlud, einen Entwurf für
die IKEA-Vasenserie vorzulegen.
Max und
Kiki feierten den Erfolg stilecht in der Bar »ihres« Hotels, wo ein
Pianospieler die Hintergrundmusik zum koketten Geflüster lieferte. Zum Abschied
küsste er sie auf den Mund. Eine Sekunde später bat er sie um Verzeihung.
»Dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen«, antwortete Kiki. Das war der
Anfang. Der Anfang vom Ende. Und der Beginn ihrer Probleme, die sie jetzt nach
Frankreich verfolgten. Und das nicht nur im übertragenen Sinne.
»Von
wegen, beim Pilgern fallen alle Sorgen von einem ab«, beschwerte sich Kiki. Sie
hatte sich umgedreht und stellte fest, dass Max immer noch hinter ihnen lief.
Kiki wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Die Notbremse, die sie
nach sechs Wochen heimlicher Beziehung gezogen hatte, hatte versagt.
31
»Bei dir
sieht alles so einfach aus«, pries Kiki Caroline. »Du hast eine Karriere, du
hast Kinder, du führst eine gute Ehe.«
Caroline
wand sich. Sie hätte zum Thema Philipp durchaus etwas zu sagen gehabt.
»Herr Dr.
Seitz ist zur Fortbildung des Hausärzteverbands abgereist«, hatte die
Sprechstundenhilfe erklärt, als sie heute morgen anrief.
»Wie
bitte?«
»Die ist
immer um den 15. Juni herum, Frau Seitz. Seit zehn Jahren«, fügte sie nicht
ohne latenten Vorwurf in der Stimme hinzu. »Er lässt Sie grüßen. Dr. Seitz
meldet sich, wenn er wieder zurück ist.«
Philipp
hatte gestern seine Sprechstundenhilfe angerufen, nicht aber die eigene Frau?
Vermutlich weil das ein Ortsgespräch war. Philipp litt unter einer schweren
Telefongesellschaftsgebührenphobie. Seit er vor sieben Jahren in einem
Italienurlaub ständig von einer aufdringlichen Patientin belästigt worden war
und dafür Hunderte von Euro bezahlen musste, war er der festen Überzeugung,
dass Handyanrufe ins Ausland ruinös und Telefongesellschaften Verbrecher waren,
die man unter allen Umständen boykottieren musste. Gebührensenkungen gingen
unbemerkt an ihm vorüber. Philipp benutzte sein Handy nur im absoluten Notfall.
Also nie.
»Caroline
hat einfach Glück mit ihrem Mann. Philipp war nie so unselbstständig wie
Frido«, stimmte Eva ein. Sie japste nach Luft. Das Laufen fiel ihr zunehmend
schwerer.
Die
Freundinnen hatten recht: Philipp kochte, Philipp kaufte ein, Philipp wusste,
wo der Staubsauger stand und wofür man ihn benutzte. Er brachte seine Hemden in
die Reinigung und nahm die Kostüme von Caroline gleich mit. Nur telefonieren
war nicht seine Stärke.
Caroline ärgerte
sich über die Geschichte mit dem Seminar und den Kommentar der
Sprechstundenhilfe. Sie konnte es sich nicht zusammenreimen. Hatte Caroline
überhört, dass er auf das Seminar fuhr? Weil sie mit dem Kopf noch im Gericht
und mit den Beinen schon auf Pilgerfahrt war? Vermutlich fand er das Seminar so
normal, dass er es nicht der Erwähnung wert gefunden hatte. Sie war ja ohnehin
unterwegs.
Sie ließ
die Komplimente von Eva und Kiki im Raum stehen. Anstatt über sich und ihre Ehe
und Philipps Telefonphobie zu reden, wechselte sie lieber das Thema: »Was hat
Max eigentlich
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