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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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Küche.
Von dem vielen Wein. Von dem Mann neben ihr. Eva, die sonst immer für das
kulinarische Wohl verantwortlich war, genoss es sichtlich, von Jacques bekocht
zu werden. Das üppige Fleisch- und Bohnengericht war kalorientechnisch ganz
und gar unverantwortlich. Ihren Schwur, auf Schweinefleisch zu verzichten, hatte
sie längst vergessen. So wie sie alles vergessen hatte, was ihr Leben
ausmachte. Selbst die Freundinnen. Heute war sie dran. Sie würde sich von
nichts und niemandem den Abend verderben lassen.
     
    Die
Spannungen hingen wie Gewitterwolken über der Gruppe. Pilgern wirkte wie ein
Brennglas. Alle Konflikte, die man im Alltag durch hektische Betriebsamkeit
übertünchen konnte, brachen auf Kiki negierte Max so gut es ging und zeichnete
stur an ihren Entwürfen, Judith kämpfte mit den Tränen, Caroline kontrollierte
andauernd ihr Handy und Estelle starrte wie die Schlange auf das Kaninchen: Im
offenen Rucksack von Judith lag obenauf das Tagebuch. Wie gerne würde sie einen
Blick auf die geheimnisvollen Seiten werfen. Judith beschützte das Buch, als
sei es der Heilige Gral. Jede Nacht verstaute sie das Tagebuch unter ihrem
Kopfkissen. Doch jetzt sah Estelle ihre Chance gekommen. Judith würde während
des Essens abgelenkt sein. Sie konnte sich das Buch ausleihen. Für einen
schnellen Blick musste es reichen.
     
    Sie wollte
gerade aufstehen, als Eva ihr einen Teller Cassoulet in die Hand drückte.
Estelles Hunger war größer als ihre Neugier.
    »Sag
nicht, du hast den ganzen Tag in der Küche gestanden?«, staunte Estelle.
    Jacques
konnte seine Küchenhelferin nicht genug loben: »Eva hat bei allem geholfen:
Bohnen einweichen, kochen, Bouillon ziehen. Entenkeulen in Schmalz garen,
Schweinerippen schmoren, Knoblauchwürste anbraten, Rückenspeck zufügen, dann
Schweinshaxe.«
    »Am Ende
schichtest du Bohnen und Fleisch in den Tontopf, gießt das Ganze mit Bouillon
an und schiebst es ins Feuer«, ergänzte Eva eifrig.
    »Und das
soll tagesfüllend sein?«, wunderte sich Estelle. Eigentlich zielte sie auf
das, was sich neben dem gemeinsamen Kochen noch zwischen Eva und Jacques
abspielte. Doch Eva war in ihrem angeschickerten Zustand immun gegen jeden
Zwischenton. »Natürlich nicht. Du musst schon weiter auf das Cassoulet
aufpassen. Während des Garens bildet sich eine dunkle Kruste. Die drückst du
immer wieder ein. Ganz vorsichtig, denn du willst die Bohnen ja nicht
zerquetschen. Sieben Krusten muss ein Cassoulet haben«, erklärte Eva das
Erlernte.
    Jacques
drückte Eva die rote Mütze seiner Gilde aufs Haar. »Willkommen im Club«, sprach
Jacques feierlich. »Du kannst stolz auf dich sein.« Eva kicherte unsicher. Sie
wusste nicht, wie sie mit der ungewohnten männlichen Aufmerksamkeit umgehen
sollte. Wenigstens konnte niemand sehen, dass sie rot wurde. Rot war ihr
Gesicht bereits von der Hitze in der Küche und dem vielen Wein. Kiki
fotografierte die denkwürdige Szene.
     
    Estelle
hätte nie im Leben freiwillig so einen derben Eintopf bestellt. Doch nach dem
ersten Bissen beschloss sie, dass ein Bohneneintopf genau das Richtige war, um
ermattete Pilger nach einem langen Wandertag zu Kräften zu bringen.
    Noch phänomenaler
als das Essen war die Verwandlung von Eva.
    »Seit die
Standleitung zu ihrer Familie gekappt ist, ist Eva wie ausgewechselt«,
flüsterte Caroline. »So ausgelassen habe ich sie seit Jahren nicht gesehen.«
    Judith
ahnte, wie Evas sonderbare Veränderung zustande kam: »Pilgern bringt
Verschüttetes wieder an die Oberfläche.«
    Estelle
hielt dagegen, bevor Judith sich wieder in einem spirituellen Vortrag verlor.
»Komisch. Ich spüre nichts. Wahrscheinlich bin ich tief innen ziemlich
oberflächlich«, trötete sie fröhlich.
     
    »Das
schmeckt, das schmeckt wie«, suchte Eva nach einem passenden Vergleich, gab
lachend auf und nahm noch eine Gabel. Sie aß gemeinsam mit den Freundinnen und
mit ungebremstem Appetit. Nur Judith stocherte wie üblich im Essen herum.
    »Ich kann
dir Eieromelette machen«, bot Jacques an.
    Judith
nickte gequält. »Eieromelette, natürlich. Gerne.«
    Seit Tagen
ernährte sich Judith von nichts anderem.
    »Elle
n'aime pas ce qu'on mange ici«, raunte das Personal in den Restaurants, die sie
besuchten. »Sie mag nicht, was wir hier essen.« Man wurde hier geradezu zum
Außenseiter, wenn man weder Fleisch noch Fisch aß. Da blieb nur Omelette.
     
    Estelle
ging Judiths unfrohes Stochern auf die Nerven. War das eine spezielle Bußübung,
die Judith sich

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