Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
das?«
    »Sie hatte wohl irgendein Tabu gebrochen, dafür musste sie sterben. Ich war Zeuge sowohl der Tötung als auch der anschließenden Räucherung. Allerdings wurde die Prozedur für mich ein wenig verkürzt. Normalerweise dauert die Konservierung eines solchen Kopfes mehrere Monate, und so lange konnte ich natürlich nicht warten. Man hat mich gewarnt, dass mein Souvenir nach ein paar Jahren verfault sein könnte, aber bisher hat es sich sehr gut gehalten, wie Sie sehen.«
    »Und Sie haben nichts getan, um diese arme Frau zu retten?«
    Die Frage schien Tscharnokuzki zu amüsieren.
    »Wer bin ich denn, dass ich mich der Justiz in den Weg stellte, auch wenn es die von Wilden ist?«
    Sie gingen weiter zu einer großen Vitrine mit mehreren Regalfächern, in denen mit Lederriemen verschnürte Säckchen unterschiedlicher Größe ausgestellt waren.
    »Was ist das?«, fragte Matwej Benzionowitsch, der an diesen Exponaten absolut nichts Bemerkenswertes erkennen konnte. »Sieht aus wie eine Sammlung von Tabaksbeuteln.«
    »Das sind auch Tabaksbeutel. Indianische Arbeiten aus dem Wilden Westen Amerikas. Fällt Ihnen nichts daran auf? Sehen Sie sie sich genau an.«
    Der Magnat öffnete die Tür, nahm einen der Beutel heraus und reichte ihn seinem Gast. Der drehte das Ding in den Händen, bewunderte die Feinheit und Weichheit des Leders, entdeckte aber ansonsten immer noch nichts Außergewöhnliches, weder ein besonderes Muster noch eine originelle Prägung. Das einzig Auffällige war eine Art Knopf, der sich genau in der Mitte des Beutels befand. Er betrachtete den Knopf mit mäßiger Neugier genauer – und warf den Beutel entsetzt in das Regal zurück.
    »Ja, ja«, keckerte Seine Erlaucht. »Das ist eine Burstwarze. Die Krieger einiger indianischer Stämme dort haben den hübschen Brauch, von ihren Raubzügen Männerskalps und Frauenbrüste mitzubringen. Aber es gibt durchaus noch apartere Trophäen.«
    Er entnahm der Vitrine etwas, das aussah wie ein Bündel getrockneter Pilze, seltsame dunkle Ringel, die auf einer Schnur aufgezogen waren. Einige von ihnen waren befremdlicherweise behaart.
    »Das ist ein Souvenir aus dem brasilianischen Dschungel. Ich war dort bei einem Waldvolk zu Gast, das sich mit einem Amazonenstamm bekriegte, diesen blutrünstigen Ludern, die inzwischen glücklicherweise aus gerottet wurden. Dieses nette Gebinde habe ich dem erfolgreichsten Krieger abgekauft, der persönlich elf Amazonen getötet hatte. Sehen Sie, es sind genau elf Ringel.«
    »Und was sind das für Ringel?«, fragte Berditschewski verständnislos, aber im selben Moment hatte er es schon begriffen. Der Magen zog sich ihm zusammen.
    Aus der Tiefe des Hauses erklang der dumpfe Ton eines Gongs.
    »Der Imbiss ist fertig«, verkündete der Graf und unterbrach die grauenhafte Exkursion. »Darf ich bitten?«
    Dem Staatsanwalt war nach dem, was er gerade gesehen hatte, nicht nach Imbisshäppchen zumute, aber trotzdem sagte er eilig:
    »Danke, sehr gern.«
    Egal wohin, nur möglichst weit weg von hier.
    Der Wolf ist in die Ecke getrieben
    Im angrenzenden Speisezimmer (Gott sei Dank ein ganz gewöhnliches Zimmer ohne Räucherköpfe oder gedörrte Genitalien), leerte Matwej Benzionowitsch rasch nacheinander zwei Gläser Wein, dann erst ließ das abscheuliche Zittern seiner Hände nach. Dazu aß er Weintrauben. Sein Magen muckerte einmal kurz, aber er hielt durch.
    Kescha machte sich mit Heißhunger über die gefüllten Wachteln her, als wäre nichts passiert. Der Graf hingegen rührte das Essen überhaupt nicht an, er nippte nur an seinem Cognac und zündete sich sofort eine Zigarre an.
    »So, so, Sie meinen also, in Sawolshsk gebe es eine, äh, Gesellschaft?«, fragte er und betonte das letzte Wort derart, das vollkommen klar war, was für eine Art von Gesellschaft er meinte.
    »Allerdings, zwar nur eine sehr kleine, aber es gibt sie«, antwortete Berditschewski und stellte sich darauf ein, dem Grafen ein paar Lügen aufzutischen.
    Tscharnokuzki stellte mit lebhaftem Interesse noch eine Reihe weiterer Fragen, deren Sinn der Sawolshsker allerdings teilweise überhaupt nicht verstand. Eine Frage lautete, zum Beispiel: ›Gibt es bei Ihnen auch eine Kükenfarm?‹ Was sollte das denn bedeuten? So viel war Matwej Benzionowitsch klar, dass diese Frage nichts mit Geflügelzucht zu tun hatte. Oder weiter: ›Veranstalten Sie ein Karussell ?‹ Was für ein Karussell, zum Kuckuck? Wahrscheinlich irgendwelche päderastischen Schweinereien.
    Um, wie

Weitere Kostenlose Bücher