Pelagia und der rote Hahn
Kescha, diese Nonne, die sich einmal hierher zum Schloss verirrte, um Almosen zu sammeln? Weißt du noch, wie Bronek sie, hm . . . ?«
Zu dem Beben der Nüstern gesellte sich eine Art erstickter Schluchzer – offenbar hatte es den Grafen zu einem unbeherrschten Lachanfall hingerissen.
Auch Kescha grinste, aber das Grinsen geriet ein wenig schief, fast erschrocken. Der Staatsrat spannte sich innerlich an, als er von der Nonne hörte. Die Spur war heiß!
»Aber warum stehen wir eigentlich hier herum, bitte, treten Sie doch ein. Ich zeige Ihnen meine Sammlung. Sie ist, wie ich sagen darf, in gewisser Weise einzigartig.«
Tscharnokuzki machte eine einladende Geste, und man begab sich ins angrenzende Zimmer.
Die Wände des Salons waren mit rotem Samt bespannt, und der ganze Raum enthielt eine Überfülle schwerer Draperien in allen Nuancen zwischen hellem Himbeerrot und dunklem Purpur, die dem Zimmer etwas Befremdliches, fast Bedrohliches gaben. Das elektrische Licht verstärkte die Wirkung dieser blutroten Farbmodulationen noch und erzeugte – je nach Standpunkt – im Betrachter das Gefühl, sich mitten in einem lodernden Feuer oder im Angesicht der untergehenden Sonne zu befinden.
Das Erste, woran Berditschewskis Blick in diesem bemerkenswerten Salon Halt fand, war ein ägyptischer Sarkophag, in dem eine hervorragend erhaltene Frauenmumie lag.
»Zwanzigste Dynastie, eine Tochter von Ramses IV. Ich habe sie in Alexandria für dreitausend Pfund Sterling von einem Grabräuber gekauft. Ist sie nicht wie lebendig? Schauen Sie nur!«
Der Graf hob das Linnen an, und Matwej Benzionowitsch sah einen schmalen, vollkommen nackten Körper.
»Sehen Sie, hier ist noch die Spur des Balsamiermessers zu erkennen.« Der schlanke Finger mit dem polierten Nagel fuhr einen feine Kerbe entlang, die sich über den gelben faltigen Bauch hinzog, und als er am Venushügel ankam, zuckte er angewidert zurück.
Der Staatsrat wandte den Blick ab und hätte beinahe laut aufgeschrien. Aus einem Glasschrank heraus schaute ihn ein schwarzes Mädchen mit samtig glänzenden Augen an – als wäre sie lebendig.
»Was ist das?«
»Die ist ausgestopft. Ich habe sie aus dem Senegal mitgebracht, wegen der Tätowierungen. Sie sind ein wahres Kunstwerk!«
Der Graf schaltete eine Lampe ein, die direkt über dem Schrank angebracht war, und Matwej Benzionowitsch sah auf der dunkelbraunen Haut ein lilafarbenes Ornament in Gestalt sich umeinander windender Schlangen.
»Es gibt dort einen Stamm, bei dem die Frauen mit wunderbaren Tätowierungen geschmückt sind. Dieses Mädchen war kurz zuvor gestorben, und ich habe dem Häuptling die Leiche für ein Winchester-Gewehr und eine Kiste Munition abgekauft. Die Eingeborenen glaubten vermutlich, ich sei ein Menschenfresser.« Die Nüstern des Grafen bebten. »Dabei war einfach einer meiner damaligen Diener, Félicien, ein begnadeter Spezialist für Taxidermie. Eine eindrucksvolle Arbeit, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete Berditschewski und schluckte.
Sie gingen zum nächsten Exponat.
Das war nicht ganz so grausig: ein normaler menschlicher Schädel, darüber das Porträt einer gepuderten Dame mit tiefem Dekolletee und schmollender Unterlippe.
»Und was ist das?«, fragte Matwej Benzionowitsch mit einer gewissen Erleichterung.
»Erkennen Sie sie nicht? Das ist Marie-Antoinette; beziehungsweise – ihr Kopf.« Der Graf streichelte liebevoll über den glänzenden Schädel.
»Wo haben Sie den denn her?«, ächzte Berditschewski.
»Von einem irischen Lord, der sich gerade in einem pekuniären Engpass befand. Ein Vorfahre von ihm hatte während der Zeit der Revolution in Paris die pfiffige Idee gehabt, den Henker zu bestechen.«
Der Staatsrat ließ den Blick zwischen dem Schädel und dem Porträt hin und her schweifen und versuchte, irgendwelche Gemeinsamkeiten zwischen ihnen zu entdecken. Es gelang ihm nicht. Gesicht und Schädel existierten beide nur für sich. Was für ein Lump, dieser Pariser Henker, dachte Matwej Benzionowitsch.
Als Nächstes kamen sie zu einem Glaswürfel, in dem sich ein Puppenköpfchen mit langen, lockigen Haaren befand. Es war klein und schrumpelig wie bei einem Neugeborenen.
»Dieses Stück hier stammt aus Neuguinea«, erklärte der Graf. »Ein geräucherter Kopf. An sich keine besondere Rarität, in europäischen Sammlungen gibt es nicht wenige davon, aber das Besondere an diesem Stück ist, dass ich mit der Dame sozusagen persönlich bekannt war.«
»Wie meinen Sie
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