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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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kannte er nicht einmal Ihren Namen.«
    »Und der Kutscher?«, entgegnete ihm der Staatsanwalt. »Er hat mich hierher gebracht und ist in die Stadt zurückgefahren. Wenn ich verschwinde, wird er es der Polizei melden.«
    »Wer hat euch gefahren, Innocent?«, fragte Tscharnokuzki.
    »Semjon. Sie glauben doch nicht, ich hätte einen fremden Kutscher genommen?«
    Der Graf zerdrückte die Zigarre im Aschenbecher und erklärte Matwej Benzionowitsch fröhlich, wobei er, wenn auch in offensichtlich spottender Absicht, wieder zum »Sie« überging:
    »Die Männer hier bei uns in Wolhynien, deren Wortschatz sich aus einem Dutzend Sprachen mischt, haben so eine Redensart: ›Hetz den Wolf in die Ecke, dass er drin verrecke.‹ Lassen Sie Ihre krumme Nase nicht hängen, Herr Berditschewski, wir haben noch eine lange Nacht vor uns, und ich verspreche Ihnen, dass viele interessante Dinge auf Sie warten. Wir werden uns jetzt in den Keller begeben, dort zeige ich Ihnen den geheimen Teil meiner Sammlung, den bei weitem interessanteren Teil. Dort befinden sich die Exponate, die ich nicht erworben, sondern selbst angefertigt habe. Leider ist es mir nicht möglich, Sie meiner Sammlung einzuverleiben, Sie haben ja gesehen, ich sammle nur Frauen. Obwohl, mal schauen, vielleicht ein klitzekleines Stück, als Ausnahme.«
    Ein hochnotpeinliches Verhör
    Der Graf sah das erschrockene Gesicht seines Gefangenen und bekam einen seiner keckernden, mumienartigen Lachanfälle.
    »Nein, nicht das Stück, an das Sie denken. Das wäre ja eine Lästerung des männlichen Körpers. Innocent, mein Lieber, wie würde dir das Exponat ›jüdisches Herz‹ gefallen? In Spiritus eingelegt, he?«
    Kescha antwortete nicht und zerrte nur krampfhaft an seiner Krawatte.
    Tscharnokuzki nahm einen Pfirsich aus der Schale, die auf dem Tisch stand, und streichelte liebevoll seine samtige Rundung.
    »Nein!«, rief er, immer noch kichernd. »Ich habe eine bessere Idee! Ein Pfund jüdisches Fleisch!« Und in bestem Eaton-Englisch deklamierte er: »›Equal pound of your fair flesh, to be cut off and taken in what part of your body pleaseth me.‹ Im Gegensatz zu Shylock überlassen ich Ihnen sogar die Wahl! Was meinen Sie, wo wollen wir es herausschneiden?«
    Matwej Benzionowitsch konnte sich nicht so schön auf Englisch ausdrücken, deshalb antwortete er auf Russisch:
    »Ich will keine Almosen. Machen Sie es so, wie es in Ihrem semitophoben Stück steht: ›möglichst nah am Herzen‹.«
    Er knöpfte sein Jackett auf und schlug sich auf die linke Seite, wo in der Westentasche das »Werbegeschenk der Firma« steckte, der spielzeugartige Einschüsser, dessen Lauf kaum dicker als ein Strohhalm war. Nun, ein Ertrinkender greift bekanntlich nach jedem Strohhalm.
    So tat es auch der Staatsanwalt – er griff nach dem Pistölchen, jedoch in solcher Hektik, dass er sich am Schlagbolzen den Daumennagel einriss.
    »Was ist das denn? Eine Klistierspritze?«, fragte der Graf unbeeindruckt. »Ein bisschen klein dafür.«
    In diesem Augenblick ging mit Berditschewski eine wundersame Verwandlung vor sich. Alle Angst fiel mit einem Schlag von ihm ab, und eine nie erlebte Wut packte ihn. Das hatte einen ganz bestimmten Grund.
    Wir sprachen an anderer Stelle bereits darüber, welche bemerkenswerte Veränderung im Charakter dieses äußerst friedfertigen, ja sogar ein wenig ängstlichen Mannes im Zusammenhang mit jener so plötzlich über ihn gekommenen Verliebtheit vor sich gegangen war. In diesem Augenblick allerdings war der Funke, der die Explosion auslöste, um einiges weniger romantisch. Es war nämlich so, dass Matwej Benzionowitsch ein ausgesprochen heikles Verhältnis zu seinen Fingernägeln hatte. Ein winzig kleiner Niednagel, oder, Gott bewahre, gar ein Riss in einem seiner Fingernägel, konnte ihn völlig aus der Fassung bringen, und das berüchtigte »mit dem Nagel über die Schiefertafel krietschen« ging ihm durch Mark und Bein. Jene unvermeidliche hygienische Prozedur, die jeder zivilisierte Mensch etwa einmal in der Woche an seinen Nägeln vorzunehmen genötigt ist, war für Berditschewski eine Qual, insbesondere in ihrer abschließenden Phase, die die Verwendung einer Nagelfeile implizierte. Und jetzt war ihm der Nagel eingerissen, und eine Ecke ragte auf widerwärtigste Weise hervor! Diese an sich nichtige Unannehmlichkeit, eine Lappalie verglichen mit der Situation im Ganzen, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Von jähem Zorn wurde dem Staatsrat

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