Pelagia und der rote Hahn
man unter Dieben sagt, nicht aufzufliegen, ging der Staatsanwalt in die Offensive.
»Ihre Sammlung hat mich sehr beeindruckt«, sagte er und wechselte das Thema. »Aber sagen Sie, warum sammeln Sie eigentlich nur . . . äh . . . die sterblichen Überreste der schöneren Hälfte der Menschheit?«
»Die Frau ist nicht die schönere Hälfte der Menschheit, sie ist überhaupt nichts«, antwortete der Graf in scharfem Ton. »Sie ist eine abgeschmackte Karikatur des Menschen. Das sage ich Ihnen als Mediziner. Ein missgestaltetes, ungefüges Wesen! Was ist schon eine Frau? Ein paar quallige Milchdrüsen, Fettwülste statt Hüften, ein absurder Knochenbau und eine quäkige Stimme . . .«
Tscharnokuzki schüttelte sich vor Ekel.
Oha, dachte Matwej Benzionowitsch, du bist zwar Mediziner, aber ich denke, du gehörst eher selber in Behandlung. Am besten in ein Krankenzimmer, wo die Klinke nur außen sitzt.
»Gestatten Sie, aber ganz ohne Frauen geht es doch auch nicht«, widersprach er vorsichtig. »Wenigstens unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der menschlichen Gattung . . .«
Dieses Argument brachte den Grafen nicht im Geringsten aus dem Konzept.
»Nun, man sollte aus den Fruchtbarsten von ihnen eine besondere Rasse züchten, so wie man es mit Kühen oder Schweinen macht. Man könnte sie in Ställen halten und mithilfe von Spritzen befruchten. Das wäre das Beste.«
Auf dem Gesicht des Frauenhassers zeigte sich eine Grimasse des Abscheus.
Ob er mich auf den Arm nimmt?, überlegte Berditschewski auf einmal. Spielt er mir vielleicht bloß etwas vor? Egal, zum Teufel mit diesen idiotischen psychopathischen Theorien. Es wird Zeit, zur Sache zu kommen.
»Tja, es wäre allerdings wunderbar, in einer reinen Männergesellschaft zu leben«, sagte der Staatsanwalt schwärmerisch. »Haben Sie davon gehört, dass ein amerikanischer Millionär das biblische Sodom wieder aufbauen lässt?«
»Ich habe davon gehört. Eine drollige Ausgeburt des amerikanischen Pietismus. Vom Standpunkt des Philanthropen aus gesehen, wäre es freilich besser gewesen, von diesen Millionen Brot für die Hungernden zu kaufen, aber das ist natürlich nichts, womit man die Welt in Erstaunen setzen könnte. Abgesehen davon wäre es allerdings auch sinnlos. Heute essen sie das Brot, das man ihnen schenkt, auf, und morgen verlangen sie schon wieder neues, das ist ein Fass ohne Boden. Jenes Projekt hingegen ist selbstverständlich sehr lehrreich für die Menschheit. Mister Cyrus ist ein wohlanständiger Familienvater, und diese ›Perversen‹ sind ihm eigentlich ein Gräuel, aber er will seinen Zeitgenossen ein Beispiel der Toleranz und Barmherzigkeit gegenüber Außenseitern und Untermenschen geben. Oh, die Amerikaner werden uns allen noch Sitte und Moral beibringen, warten Sie nur ab!«
»Aber dieses Unternehmen dürfte doch ziemlich viele Gegner haben?«, fragte Matwej Benzionowitsch, sich langsam an das eigentliche Thema herantastend. »All die scheinheiligen Frömmler und religiösen Fanatiker. Es gibt doch heutzutage so viele Sekten, die zu alttestamentarischer Unduldsamkeit aufrufen.«
Damit wollte er allmählich auf Manuila zu sprechen kommen und vorsichtig eruieren, welche Meinung Seine Erlaucht von dem Propheten hatte, den der einäugige Bronek hatte umbringen wollen.
Aber das Gespräch wurde unterbrochen. Filip betrat lederknarzend den Salon und übergab dem Hausherrn mit einer Verbeugung einen langen Papierstreifen.
Sollte es in diesem mittelalterlichen Schloss einen Telegrafen geben? Diese Neuigkeit wollte dem Staatsanwalt irgendwie nicht recht gefallen.
Tscharnokuzki ließ seinen Blick über die ziemlich lange Depesche gleiten und sagte auf einmal zu Kescha:
»Innocent, du bist ein dummer kleiner Junge, ich glaube, du brauchst ein paar anständige Hiebe. Wen hast du mir da ins Haus gebracht?«
Der blonde Schönling verschluckte sich an einem Apfelsinenstück, und Berditschewskis Herz bekam einen Stich. Mit sich überschlagender Stimme rief er:
»Was wollen Sie damit sagen, Graf?«
»Was seid ihr Juden doch für eine ungezogene Rasse«, sagte der Magnat kopfschüttelnd und sprach dann im Weiteren nicht mehr zu Matwej Benzionowitsch, sondern nur noch an Kescha gewandt. »Hör mal, was Mikki hier schreibt: ›Adelsmarschall des Gouvernements Sawolshsk ist Graf Rostowski, Adelsmarschalle der Bezirke sind: Fürst Bekbulatow, Baron Schtakelberg, Seljaninow, Kotko-Kotkowski, Lasutin, Fürst Watschnadse, Barchatow und Graf Besnossow, drei
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