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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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sagte dann ernst, fast feierlich:
    »Sie sind tatsächlich ein kluger Mann. Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen. Dieses Subjekt nämlich, von dem Sie sprechen, stellt eine furchtbare Gefahr für Russland, ja für die gesamte Christenheit dar.«
    »Wer – Manuila?«, rief Berditschewski erstaunt. »Das ist doch nicht Ihr Ernst, Eure Exzellenz! Übertreiben Sie nicht ein wenig?«
    Der Oberprokuror lächelte traurig.
    »Sie haben noch nicht gelernt, mir so zu glauben, wie es meine Gleichgesinnten tun. Mein Verstand oder mein Herz können sich irren, aber niemals beide gleichzeitig. Gott hat mir diese besondere Gabe verliehen. Sie anzuwenden ist meine Bestimmung. Glauben Sie mir, Matwej Benzionowitsch: Ich sehe mehr als andere Menschen, mir eröffnet sich vieles, was ihnen verborgen bleibt.«
    Pobedin sah Berditschewski gerade in die Augen und akzentuierte jedes einzelne Wort. Der Sawolshsker Staatsanwalt hörte wie gebannt zu.
    »Jeder, der mit Manuila in Berührung kommt, wird mit der tödlichen Krankheit des Unglaubens infiziert. Ich habe selbst mit ihm gesprochen und diese verführerische Kraft gespürt. Nur durch das Gebet konnte ich mich retten. Wissen Sie, wer er ist?«, fragte Konstantin Petrowitsch, und seine Stimme sank plötzlich zu einem bedrohlichen Flüstern.
    »Wer?«
    »Der Antichrist.«
    Leise und feierlich sprach er das schreckliche Wort aus.
    Berditschewski zwinkerte erschrocken mit den Augen.
    Da haben wir die Bescherung! Der einflussreichste Mann im Staat, der Oberprokuror des Heiligen Synods, hat den Verstand verloren! Armes Russland!
    »Ich habe weder den Verstand verloren, noch bin ich ein religiöser Fanatiker«, sagte der Oberprokuror, als hätte er seine Gedanken gelesen. »Aber ich glaube an Gott. Ich wusste schon seit langem, dass der Satan auf die Erde kommen würde, ich habe ihn erwartet, auf Grund der angekündigten Vorzeichen. Aber er ist, wie wir jetzt wissen, längst hier. Er zieht durch Russland, sieht sich um und kundschaftet alles aus, er hat es nicht eilig, er hat ja dreieinhalb Jahre Zeit. Denn so steht es in der Offenbarung des Johannes geschrieben: »Es wurde ihm ein Maul gegeben, das große und lästernde Reden führte, und es wurde ihm Vollmacht gegeben, es zweiundvierzig Monate lang zu treiben. Und es öffnete sein Maul zu Lästerungen gegen Gott, zu lästern seinen Namen und seine Wohnstatt und die Bewohner des Himmels. Und es wurde ihm gegeben, Krieg zu führen mit den Heiligen und sie zu besiegen, und es wurde ihm Macht gegeben über jeden Stamm und jedes Volk, jede Zunge und jedes Land, und anbeten werden es alle Bewohner der Erde, deren Name nicht eingeschrieben ist im Lebensbuch des geschlachteten Lammes seit Grundlegung der Welt.«
    Diese gestrengen und dunklen Worte versetzten Matwej Benzionowitsch in heftige Erregung. Jetzt kam es ihm nicht mehr so vor, als habe Pobedin den Verstand verloren, dennoch war es ihm unmöglich, daran zu glauben, dass der kümmerliche Schwindler Manuila mit jenem apokalyptischen Tier identisch sein sollte.
    »Ich weiß«, seufzte Konstantin Petrowitsch. »Ihnen, als Mensch mit einem praktischen Verstand, fällt es schwer, an so etwas zu glauben. Es ist selbstverständlich etwas anderes, ob man in der geistlichen Literatur über den Antichrist liest, oder ob man ihn sich leibhaftig vorstellen soll, hier mitten unter uns, im Jahrhundert der Dampfmaschinen und der Elektrizität, noch dazu in Russland. Aber ich sage Ihnen: Gerade in Russland!«, rief der Oberprokuror mit neuerlich aufwallender Verve. »Genau darin liegt der Sinn und die Vorbestimmung unseres Landes: zum Schlachtfeld zwischen den Kräften des Lichts und der Finsternis zu werden! Das Tier hat sich Russland erwählt, weil es ein besonderes Land ist! Von allen Ländern ist es in seinem Unglück am weitesten von Gott entfernt und IHM doch gleichzeitig am nächsten! Und weil die gesellschaftliche Ordnung und der Glauben bei uns schon vor langer Zeit ins Wanken gekommen sind. Russland ist das schwächste Glied in der Kette aller christlichen Staaten. Das hat der Antichrist erkannt und holt nun zum Schlage aus. Ich weiß, wie dieser Schlag aussehen wird, er hat es mir selbst offenbart. Aber ich werde schweigen, denn es ist besser, wenn die Last dieses Wissens nur auf meinen Schultern liegt. Ich sage nur eines: Es ist ein Schlag, von dem sich unser Glauben nicht wieder erholen wird. Und was ist Russland ohne Glauben? Eine Eiche ohne Wurzeln. Ein Turm ohne Fundament. Er wird in

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