Pelagia und der schwarze Moench
ohne seinen Familiennamen zu erwähnen. »Ich logiere hier ausgezeichnet. Und was den Grund angeht. . . Hier gibt es keine Menschen, nur den Wind und die Wellen. Aber wir wollen uns später unterhalten.« Er goss heißes Wasser aus dem Samowar in eine Schüssel und nahm ein sauberes Tuch vom Tisch. »Zuerst kümmern wir uns um Ihre Wunden. Geruhen Sie bitte, Ihr Hemd hochzuziehen.«
Dieses Ansinnen lehnte Polina Andrejewna selbstverständlich ab, doch ließ sie sich das Gesicht, die Abschürfungen an den Ellbogen und sogar die von den Fesseln wund gescheuerten Knöchel waschen. Nikolaj Wsewolodowitsch wäre wohl kein besonders fähiger, dafür aber ein sehr sorgsamer Krankenpfleger geworden. Als sie sah, wie behutsam er ihr den nassen Schuh auszog, blinzelte Frau Lissizyna gerührt, und sie nahm es ihm nicht übel, als er ihr dabei mit dem Finger schmerzhaft auf den geprellten Knöchel drückte.
»Ich kann gar nicht ausdrücken, wie dankbar ich Ihnen bin. Am meisten dafür, dass Sie, ohne zu zögern und ohne zu wissen, worum es ging, einem völlig unbekannten Menschen beigestanden haben.«
»Eine Kleinigkeit.« Der Hausherr winkte ab und wusch eine Kratzwunde am Fußgelenk aus. »Das ist doch nicht der Rede wert.«
Es war offensichtlich, dass er nicht kokettieren wollte, sondern seinem bemerkenswerten Handeln tatsächlich keinerlei Bedeutung beimaß. Er hatte einfach das für ihn Naheliegendste getan, genau wie damals, als er das Kätzchen gerettet hatte. Das nahm Polina Andrejewna am meisten für ihn ein. Sie bemühte sich, dem Helden nicht ihre verunstaltete Gesichtshälfte zuzuwenden, und musste ihn daher immerzu von der Seite her ansehen.
Ach, er gefiel ihr wirklich sehr! Wenn Nikolaj Wsewolodowitsch die Intimität der Situation aus genutzt und sich auch nur einen zweideutigen Blick, nur einen aufdringlichen Händedruck gestattet hätte, wäre Frau Lissizyna sogleich wachsamer gewesen und an ihre Pflicht und Schuldigkeit gemahnt worden, doch die Fürsorge des Hausherrn war aufrichtig brüderlicher Natur, und ihr Herz verpasste den Moment, auf der Hut zu sein.
Als Polina Andrejewna sich dabei ertappte, dass sie Nikolaj Wsewolodowitsch nicht ganz so ansah, wie es sich gehörte, und erschrak, war es schon zu spät: Ihr Herz klopfte viel schneller, als es sollte, und die Berührungen des improvisierten Doktors riefen im ganzen Körper ein gefährliches Gefühl angenehmer Mattigkeit hervor.
Es war höchste Zeit, den Herrn um Stärkung des Geistes und Überwindung der Versuchung zu bitten, doch im Zimmer war weder eine Ikone noch das allerkleinste Heiligenbild.
»Na also.« Nikolaj Wsewolodowitsch nickte zufrieden. »Wenigstens wird es sich nicht entzünden. Und nun Sie.«
Er wandte der auf der Bettstatt liegenden Dame seinen nackten, auf geschürften Rücken zu.
Es folgten noch schlimmere Versuchungen. Polina Andrejewna setzte sich auf und begann, die weiße Haut ihres Retters abzureiben, wobei sie sich kaum zurückhalten konnte, mit der Handfläche seinen Rücken zu streicheln.
Besonders ungut waren die hin und wieder eintretenden Pausen. In den Jahren als Nonne hatte sie vergessen, dass solche Unterbrechungen im Gespräch gefährlicher als alles andere sind. Sogleich hört man das eigene, heftige Atmen, und die Schläfen beginnen zu hämmern.
Polina Andrejewna war plötzlich befangen, weil sie nicht angezogen war, und blickte sich um, ob sie etwas fand, das sie sich umlegen könnte. Sie fand nichts.
»Ist Ihnen kalt?«, fragte Nikolaj Wsewolodowitsch, ohne sich umzudrehen. »Nehmen Sie doch den Kosakenumhang, es ist sowieso nichts anderes da.«
Frau Lissizyna ging über den kalten Boden zum Fenster und hüllte sich in das streng riechende Schaffell. Sie war nun etwas gefasster, und der durch das Fenster hereinwehende Wind kühlte angenehm ihr gerötetes Gesicht.
In der Ferne, da wo die Landzunge begann, stand eine Schar Mönche, die auf etwas warteten. Dann öffnete sich die Tür der Abdankungskapelle, und ein gesichtsloser Mann, der in ein schwarzes, nach oben hin spitz zulaufendes Gewand gehüllt war, trat heraus. Die versammelten Mönche verneigten sich tief vor ihm. Er schlug das Kreuz über sie und wandte sich zum Ufer. Erst jetzt bemerkte Polina Andrejewna das Boot mit dem Ruderer. Der schwarze Mann setzte sich in den Bug, wobei er Kanaan den Rücken zuwandte, und das Boot fuhr zur Nachbarinsel. Dort, direkt an der Wasserkante, warteten zwei weitere gesichtslose Mönche in
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