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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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hatte) zu bemerken, und starrte den bewusstlos am Boden liegenden Bruder Jonas an.
    »Haben Sie den Mönch betrunken gemacht?«, fragte der Doktor kopfschüttelnd. »Treiben Sie immer noch Ihr Unwesen? Offen gestanden ist das keine große Freveltat, zum echten Stawrogin fehlt Ihnen noch einiges. Wahrhaftig, Herr Terpsichorow, Sie sollten diese Rolle fallen lassen, sie passt überhaupt nicht. . .«
    Da entdeckte Korowin die hinter einem Mauervorsprung hervorlugende Frau im Negligee und verstummte. Zuerst blickte er verständnislos drein, dann runzelte er die Stirn.
    »Aha«, bemerkte er finster. »So ist das. Das war ja zu erwarten. Natürlich, schließlich ist Stawrogin ein großer Charmeur. Guten Morgen, gnädige Frau. Ich fürchte, ich muss Ihnen einiges erklären . . .«
    Donat Sawwitsch stieg bei diesen Worten bereits die Vortreppe empor – und verstummte aufs Neue, weil er seine Besucherin von vorgestern erkannt hatte.
    »Polina Andrejewna, Sie?«, fragte der Doktor bestürzt. »Das ist nun nicht . . . Meine Güte, was ist mit Ihnen? Was hat er mit Ihnen angestellt?!«
    Korowin streifte das übel zugerichtete Gesicht und die klägliche Bekleidung der Dame mit einem Blick und stürmte ins Zimmer. Er schleuderte den Korb und das Plaid zur Seite, packte Nikolaj Wsewolodowitsch bei den Schultern und rüttelte ihn so, dass dessen Kopf vor und zurück schwankte.
    »Das ist eine Niedertracht, mein Lieber! Jawohl! Damit haben Sie alle Grenzen überschritten! Ein zerfetztes Hemd – bitte sehr. Verführer, afrikanische Leidenschaft und all das, aber warum eine Frau ins Gesicht schlagen? Sie sind kein genialer Schauspieler, Sie sind einfach ein Schuft, das sage ich Ihnen!«
    Der Blonde, den Donat Sawwitsch mit Terpsichorow angeredet hatte, rief kläglich:
    »Ich schwöre, ich habe sie nicht geschlagen!«
    »Schweigen Sie, Sie Lump!«, schrie Korowin ihn an. »Mit Ihnen befasse ich mich später.«
    Er stürzte zu Polina Andrejewna, die anhand dieses merkwürdigen Zwiegesprächs nur eines begriff: Wie Furcht erregend Nikolaj Wsewolodowitsch auch war, der Inhaber der Klinik war offenbar noch Furcht erregender. Wie sonst könnte der Satan von Neu-Ararat solche Angst vor ihm haben?
    »Das ist übel«, seufzte der Doktor, als er sah, dass die Dame gehetzt vor ihm zurückwich. »Was haben Sie denn, meine liebe Polina Andrejewna, ich bin es doch, Korowin. Erkennen Sie mich wirklich nicht? Eine weitere Patientin kann ich nicht gebrauchen. Gestatten Sie, dass ich Ihnen das hier umlege.«
    Er hob das Plaid vom Boden auf und hüllte Frau Lissizyna sorgsam darin ein, woraufhin diese unvermittelt zu weinen anfing.
    »Ach Terpsichorow, Terpsichorow, was haben Sie nur angerichtet!«, sagte Donat Sawwitsch, während er der weinenden Frau über die roten Haare strich. »Es ist schon gut, meine Liebe, es ist schon gut. Ich schwöre, ich reiße ihm den Kopf ab und serviere ihn Ihnen auf einer Schale. Und Sie nehme ich jetzt mit zu mir, ich verabreiche Ihnen eine kräftigende Brühe und gebe Ihnen eine Beruhigungsspritze . . .«
    »Ich brauche keine Spritze«, schluchzte Polina Andrejewna. »Bringen Sie mich lieber in mein Hotel.«
    Korowin schüttelte den Kopf. Mit einem freundlichen Vorwurf, als spreche er zu einem unvernünftigen Kind, sagte er:
    »In diesem Zustand? Davon will ich nichts hören. Sie sollten sich einmal ansehen. Und wenn Sie sich etwas gebrochen oder gequetscht haben? Oder wenn Sie, Gott behüte, eine Gehirnerschütterung haben? Nein, meine Liebe, ich habe den Eid des Hippokrates geschworen. Wir fahren jetzt. Wo ist Ihr Kleid?«
    Er blickte sich suchend um und warf sogar einen Blick unter die Bettstatt. Die Lissizyna schwieg betreten, der unglückliche Nikolaj Wsewolodowitsch ebenfalls.
    »Nun gut, zum Teufel mit dem Kleid. Wir finden schon etwas für Sie.«
    Er fasste Polina Andrejewna um die Schulter und führte sie zum Ausgang. Sie hatte keine Kraft mehr, sich zu widersetzen, und außerdem konnte sie wohl kaum in diesem déshabillé in der Stadt auftauchen.
    Donat Sawwitsch fing aus irgendeinem Grunde an, sich zu entschuldigen. Er ließ das Pferdchen in einen leichten Trab fallen und sagte zerknirscht:
    »Ein schrecklicher Vorfall. Ich weiß nicht, wie ich mich rechtfertigen soll. So etwas ist bei mir noch nie vorgekommen. Sie haben natürlich das Recht, sich bei den Behörden zu beschweren, eine Klage gegen mich einzureichen und so weiter. Für meine Klinik ist das mit Unannehmlichkeiten verbunden, es führt

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