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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Kosakenumhang glitt sofort zu Boden.
    »Was machen Sie da?«, rief Frau Lissizyna entsetzt aus und warf den Kopf zurück. »Das ist eine Freveltat!«
    »Ich liebe Freveltaten!«, knurrte der Bösewicht, während er ihr über den Rücken und die Hüften strich. »Das ist mein Handwerk!« Er brach wieder in schallendes Gelächter aus. »Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle: Der Satan von Neu-Ararat! Ich bin hierher gesandt, um dieses stille Wasser aufzurühren, um die Ungeheuer aufzustören, die es in seinen Tiefen so zahlreich gibt!«
    Nikolaj Wsewolodowitsch fand großes Gefallen an seinem Scherz. Er brach in ein krampfhaftes, manisches Lachen aus, und Polina Andrejewna zuckte zusammen, weil ihr ein neuer Gedanke gekommen war.
    Was war denn diese ganze Geschichte mit dem wieder auferstandenen Wassilisk? Nichts anderes als ein ungeheuerliches, lästerliches Theater für leicht zu beeindruckende Einfaltspinsel! Diese für ein fremdes Publikum inszenierte Vorstellung sah nicht nach einer Frau aus. Eine Frau handelte immer für eine bestimmte, konkrete Person, und nicht für zufällige Zuschauer oder zufällige Opfer. Hier spürte man echte männliche, unpersönliche Grausamkeit, das Spiel eines pervertierten männlichen Ehrgeizes. Und wie viel Geschicklichkeit und Erfindungsgeist waren vonnöten, um diese ganze Komödie mit Gespenstern und dem Wandeln auf dem Wasser zu veranstalten! Nein, die »Kaiserin von Kanaan« und ihr Sklave, der so schwer von Begriff war, hatten damit nichts zu tun.
    »Also, Sie haben das alles gemacht?«, seufzte Polina Andrejewna. »Sie . . . ?! Welch ein entsetzlicher, grausamer Scherz! Wie viel Böses haben Sie angerichtet, wie viele Menschen zugrunde gerichtet! Und das alles nur so, aus Langeweile! Sie sind wirklich ein Satan!«
    Nikolaj Wsewolodowitschs rechte Wange zuckte nervös, als tanze sein Gesicht einen diabolischen Cancan.
    »Ja, ja, ich bin der Satan!«, flüsterten die schmalen roten Lippen. »Gib dich dem Satan hin, Braut Christi!«
    Er hob die Frau mit Leichtigkeit auf die Arme, ließ sie auf das Bärenfell fallen und warf sich auf sie. Polina Andrejewna hob die Hand, um dem Schänder die Nägel in die Augen zu schlagen, spürte aber plötzlich, dass sie es nicht konnte, und das war beschämender und schlimmer als alles andere.
    Gib mir Kraft, flehte sie zu ihrer Schutzheiligen, der heiligen Pelagia. Die vornehme Römerin, die einem Sohn des Kaisers versprochen war, wollte eher einen grausamen Tod sterben, als mit dem schönen Heiden zu sündigen. Sie wollte sich lieber in den glühenden, kupfernen Stier des Phalaris sperren lassen, als in den Armen des Verführers schändlich schwach zu werden.
    »Verzeih mir, verzeih mir, rette mich«, stammelte die arme Frau Lissizyna und bekannte damit die verwünschte weibliche Schwäche vor dem Ewigen Bräutigam.
    »Gerne!«, feixte Nikolaj Wsewolodowitsch, während er ihre langen Hosen herunterzerrte.
    Doch es erwies sich, dass auch der Himmlische Bräutigam die Ehre Seiner Braut zu schützen vermag.
    Als Polina Andrejewna schon schien, es sei alles verloren und es gebe keine Rettung, drang von draußen eine laute Stimme herein:
    »He, he, Childe Harold! Sind Sie hier vor Kälte noch nicht verreckt? Nun ist auch noch Ihre Tür eingeschlagen. Ich bringe Ihnen ein Plaid und einen Korb von maître Armand mit dem Frühstück! He, Herr Terpsichorow, was ist, schlafen Sie etwa noch?«
    Blitzschnell ließ Nikolaj Wsewolodowitsch von seinem Opfer ab.
    Das Gesicht des Hausherrn veränderte sich nun schon zum zweiten Mal beinahe bis zur Unkenntlichtkeit – die dämonische Fratze verwandelte sich in die erschrockene Miene eines gescholtenen kleinen Jungen.
    »Oh je! Das ist Donat Sawwitsch!«, jammerte der erstaunliche Herausforderer Gottes, während er den Morgenrock überzog. »Jetzt werde ich etwas zu hören bekommen!«
    Interessante Menschen – 2
    Polina Andrejewna, die das Wunder noch gar nicht fassen konnte, erhob sich rasch, hüllte sich mehr schlecht als recht in die Überreste ihrer Wäsche und stürzte zur Tür.
    An dem windschiefen Zaun stand Doktor Korowin und band das Zaumzeug eines kräftigen Ponys, das einer zweisitzigen englischen Kutsche vorgespannt war, am Torpfosten fest. Donat Sawwitsch trug einen Canotier-Hut mit schwarzem Band und einen hellen Mantel. Er nahm ein großes Bündel und einen Korb aus der Kutsche und wandte sich um, ohne aber die abgerissene Dame (die sich übrigens instinktiv wieder ins Haus zurückgezogen

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