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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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wenig verwundert. »Dabei lässt das Reglement für den Staatsdienst so etwas ganz gewiss nicht zu.«
    Er schwieg wieder.
    »Aber das ist noch nicht die wichtigste Nachricht.« Der Bischof klopfte Berditschewski aufs Knie, woraufhin der zusammenzuckte und weinerlich das Gesicht verzog. »Du hast einen Jungen bekommen, einen Sohn! Er ist gesund und munter, und Mascha geht es gut.«
    »Es ist sehr schön«, nickte der stellvertretende Staatsanwalt, »wenn alle gesund sind. Ohne Gesundheit kein Glück – da nützen auch Ruhm und Reichtum nichts.«
    »Sie haben auch schon einen Namen ausgesucht. Sie haben hin und her überlegt, und jetzt heißt er . . .« Mitrofani machte eine Pause »Akaki. Er heißt nun Akaki Matwejewitsch. Ist das nicht ein schöner Name?«
    Matwej Benzionowitsch hieß auch den Namen gut.
    Wieder trat Stille ein. Dieses Mal schwiegen sie mindestens eine halbe Stunde. Berditschewski machte das offensichtlich nichts aus. Er rührte sich kaum und starrte nur vor sich hin. Vielleicht zweimal, als Mitrofani sich regte, richtete Berditschewski seinen Blick auf ihn und lächelte wohlwollend.
    Weil er nicht wusste, wie er die undurchdringliche Mauer durchbrechen sollte, knüpfte der Bischof ein Gespräch über die Familie an – zu diesem Zweck hatte er aus Sineosjorsk Fotografien mitgebracht. Matwej Benzionowitsch betrachtete die Aufnahmen mit höflichem Interesse. Uber seine Frau sagte er:
    »Ein hübsches Gesicht, aber sie lächelt gar nicht.«
    Auch die Kinder gefielen ihm.
    »Ganz bezaubernde Knirpse haben Sie, Vater«, bemerkte er. »Und so viele. Ich wusste gar nicht, dass Personen von klösterlichem Stand Kinder haben dürfen. Leider darf ich keine Kinder haben, weil ich verrückt bin. Laut Gesetz dürfen Verrückte keine Ehe eingehen, und wenn so jemand bereits verheiratet ist, wird die Ehe für ungültig erklärt. Mir scheint, ich war früher auch verheiratet. Ich meine mich daran zu erin. . .«
    In diesem Moment klopfte es vorsichtig, und das sommersprossige Gesicht von Polina Andrejewna lugte durch die Tür – im denkbar ungünstigsten Augenblick. Der Bischof bedeutete seiner geistlichen Tochter mit einer Gebärde: geh weg, störe uns nicht, und die Tür wurde wieder geschlossen. Doch der Augenblick war verpasst, Berditschewski erging sich nicht mehr in Erinnerungen, er war abgelenkt von einer Kakerlake, die langsam über den Nachttisch krabbelte.
    Es vergingen Minuten, Stunden. Das Tageslicht wurde schwächer und erlosch. Im Zimmer wurde es dunkel. Niemand klopfte mehr an die Tür, niemand wagte den Bischof und seinen geistesverwirrten Schützling zu stören.
    »Nun denn«, sagte Mitrofani, während er sich ächzend erhob. »Ich bin müde. Ich werde mich für die Nacht einrichten. Dein Physiker ist ohnehin nicht da, und wenn er auftaucht, kann der Doktor ihn woanders unterbringen.«
    Er legte sich auf das zweite Bett und streckte seine tauben Glieder.
    Matwej Benzionowitsch ließ zum ersten Mal Anzeichen von Unruhe erkennen. Er entzündete die Lampe und drehte sich zum Bischof um.
    »Sie dürfen hier nicht bleiben«, sagte er nervös. »Dies ist ein Haus für Verrückte, und Sie sind gesund.«
    Mitrofani gähnte und machte ein Kreuzzeichen über dem Mund, damit der böse Geist nicht hereinflöge.
    »Wieso bist du verrückt? Du brüllst nicht herum und wälzt dich nicht auf dem Boden.«
    »Ich wälze mich nicht auf dem Boden, aber dass ich gebrüllt habe, ist schon vorgekommen«, bekannte Berditschewski. »Wenn ich große Angst hatte.«
    »Na, dann brüllen wir eben zusammen.« Die Stimme des Bischofs klang ungerührt. »Ich werde dich jetzt nie mehr allein lassen, Matjuscha. Wir werden immer zusammen sein. Denn du bist mein geistlicher Sohn, und ich liebe dich. Weißt du, was das ist – Liebe?«
    »Nein«, antwortete Matwej Benzionowitsch. »Ich weiß jetzt überhaupt nichts.«
    »Liebe bedeutet, immer zusammen zu sein. Besonders, wenn es dem, den man liebt, schlecht geht.«
    »Sie dürfen hier nicht bleiben! Wieso begreifen Sie das denn nicht? Sind sind doch ein Bischof!«
    Aha! Mitrofani ballte im Halbdunkel die Fäuste. Es ist ihm wieder eingefallen! Na also!
    »Das ist mir völlig einerlei, Matjuscha. Ich bleibe bei dir. Und du wirst jetzt keine Angst mehr haben, denn zu zweit hat man keine Angst. Dann sind wir eben beide verrückt, du und ich auch. Doktor Korowin wird mich aufnehmen, das ist ein interessanter Fall für ihn: Der Bischof des Gouvernements hat den Verstand

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