Pelagia und der schwarze Moench
demütig.
»Du hast gesündigt, Pelagijuschka. Was hast du alles angestellt . . .«
Jetzt ging es los. Sie seufzte reuevoll und schlug beschämt die Augen nieder.
Mitrofani aber zählte jede ihrer Sünden auf und nahm dabei die Finger zu Hilfe:
»Du hast den Schwur gebrochen, den du deinem geistlichen Vater gegeben hast, als er krank und dem Tode nahe daniederlag.«
»Ich habe nicht geschworen!«, sagte sie flink.
»Keine Ausflüchte! Du hast meine unausgesprochene Bitte – nicht nach Ararat zu fahren – ausgezeichnet verstanden, du hast genickt und mir die Hand geküsst. Ist das etwa kein Schwur, du treulose Schlange?«
»Eine Schlange, wie sie im Buche steht«, stimmte Polina Andrejewna zu.
»Du hast verbotene Kleidung angezogen, dem Stand der Nonnen Schande bereitet. Du läufst mit bloßem Hals herum, ein schändlicher Anblick!«
Hastig bedeckte die Lissizyna ihren Hals mit einem Tuch, doch sie versuchte, diesen Anklagepunkt zurückzuweisen:
»Zu anderer Zeit haben Sie selbst mir dazu Ihren Segen gegeben.«
»Aber dieses Mal habe ich dir nicht nur keinen Segen dazu gegeben – ich habe es rundheraus verboten«, versetzte Mitrofani. »Stimmt das oder nicht?«
»Das stimmt. . .«
»Ich wollte dich bei der Polizei anzeigen. Es ist unentschuldbar, dass ich das nicht getan habe. Du hast deinem Seelenhirten Geld gestohlen! Tiefer kann man nicht mehr fallen! Zur Zwangsarbeit müsste man dich schicken, das ist der richtige Ort für eine Diebin.«
Polina Andrejewna hatte keine Einwände – es gab keine.
»Und wenn ich dich, eine entlaufene Nonne und Räuberin, nicht zur polizeilichen Fahndung im ganzen Reich ausgeschrieben habe – mit deinen roten Haaren und den Sommersprossen hätte man dich schnell gefunden – , dann allein aus Dankbarkeit für meine Genesung.«
»Wofür?«, wunderte sich die Lissizyna, die dachte, sie habe sich verhört.
»Sobald ich von Schwester Christina erfuhr, dass du dich auf mich berufen hattest und weggefahren warst, sobald ich begriff, was du vorhattest, ging es aufwärts mit meiner Gesundheit. Ich schämte mich, Pelagijuschka«, sagte der Bischof leise, und es wurde deutlich, dass er ihr überhaupt nicht zürnte. »Ich schämte mich für meine Schwäche. Da lag ich wie ein greinendes altes Weib im Bett und löffelte den Absud vom Doktor! Meine unglücklichen Kinder hatte ich in der Not fallen gelassen, alles auf weibliche Schultern abgewälzt. Ich schämte mich so sehr, dass ich am zweiten Tag wieder aufrecht sitzen, am vierten Tag gehen und am fünften Tag ein wenig in der Kutsche durch die Stadt fahren konnte, und am achten Tag machte ich mich auf den Weg – hierher, zu Euch. Professor Schmidt, der aus Petersburg gekommen war, um mich zu begraben, sagt, eine so schnelle Heilung eines gerissenen Herzmuskels habe er noch nie erlebt. Der Professor ist wieder in die Hauptstadt zurückgefahren und war sehr stolz auf sich. Jetzt wird man ihm für seine Visiten und Konsultationen noch mehr Geld zahlen. Dabei hast du mich geheilt, nicht er.«
Schluchzend bedeckte Polina Andrejewna die ausgemergelte, bleiche Hand des Bischofs mit Küssen. Er küsste sie auf den Scheitel.
»Sieh mal an, parfümiert hat sie sich auch«, brummte der Bischof, der nun nicht mehr so tat, als sei er verärgert. »Nun gut, lass uns jetzt aber zur Sache kommen.«
Die Lissizyna zog den Brief aus dem Ausschnitt und streckte ihn dem Bischof hin.
»Lesen Sie besser das hier, da steht das Wichtigste drin. Jeden Abend habe ich etwas hinzugeschrieben. So ist es ist kürzer und klarer, als wenn ich es erzähle. Oder möchten Sie es hören?«
Mitrofani setzte sein Pincenez auf.
»Lass mich nur lesen. Wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich dich.«
Es war ein langer Brief, mit alldem, was sie in fast einer Woche hinzugeschrieben hatte, waren es fast zehn Seiten. Hier und da war das Papier feucht geworden, einige Zeilen waren verwischt.
Die Kutsche hielt an. Der Mönch auf dem Kutschbock nahm die Kappe ab und fragte:
»Wohin möchten Sie fahren? Wir sind schon aus der Stadt heraus.«
»Zur Heilanstalt von Doktor Korowin«, sagte Polina Andrejewna halb laut, um den Bischof nicht beim Lesen zu stören.
Sie fuhren weiter.
Voller Mitleid registrierte sie die Veränderungen, die die Krankheit im Antlitz des Bischofs hinterlassen hatte. Ach, er war zu früh aufgestanden. Wenn nur kein neues Unglück geschehen würde. Doch untätig im Bett zu liegen, wäre noch schlimmer gewesen.
Einmal schrie der Bischof
Weitere Kostenlose Bücher