Pelbar 5 Ein Hinterhalt der Schatten
am Rahmen des Rads. Portain ließ sich fast fallen, da spürte sie, wie Hände nach ihr griffen, sie vom Rad zogen und sie nach vorne in die Kajüte trugen, die sich die Frauen teilten. Sie wurde auf eine Koje gelegt, man rieb ihr Gesicht und Hände ab und deckte sie mit einer trok-kenen Decke zu.
»Hol etwas Heißes zu trinken, Sawf!« sagte Aintre.
»Raydi soll es bringen. Ich werde sie umziehen. Bleib jetzt draußen! Bring noch ein Handtuch! Irgendein Handtuch.«
Portain glaubte zu spüren, wie sie versank, aber nicht mehr in der schwarzen Kälte – in Wärme, in Fürsorge. Sie entspannte sich, dann kämpfte sie sich wieder nach oben. »Alles gesichert?«
Von Deck kam ein Schrei. Raydi. Noch ein Schrei.
Dailith stürzte hinaus. »Dai – es ist Vater«, kreischte sie.
»Wo? Wo ist er?«
»Er sagte, er sei zu müde, um heraufzukommen. Er sagte, er wolle eine Weile ausruhen. Dann hat sich das Rad wieder gedreht. Er ist weg.« Raydi schrie wieder, lang und gequält.
Dailith sah nach. Das Boot hatte sich in der Dunkelheit bewegt, hatte mit seinem ganzen Gewicht an dem Tau gezogen, das Dailith wieder an den Schaufeln befestigt hatte, und es erneut zerrissen. Dailith packte das Tauende und zog. Nichts bewegte sich.
Allay kam ihm zu Hilfe, dann Sawf. »Wir liegen an einer Schlammbank«, ächzte Dailith. »Noch einmal.«
Alle zogen, voller Verzweiflung jetzt. Gowen kam dazu, es gab einen Ruck, und das Rad schwang nach oben. Stel hing schlaff daran, aber er keuchte und hustete. Dailith kletterte über die Schaufeln zu ihm hin.
»Stel! Stel!«
»Schrei nicht!«
»Wie geht es dir?«
»Nicht so besonders.«
»Hör auf! Das ist kein Witz.« Dailith zog an Stel, und der schrie auf.
»Vater«, brüllte Raydi und rannte schreiend weg.
»Was ist los, Stel?«
»Ich habe zu lange gebadet, und jetzt zerfließe ich, Dai. Es sind meine Rippen. Dai, wir haben etwas vergessen.«
»Was? Wovon redest du? Was für Rippen?«
»Wir haben vergessen, etwas einzubauen, womit man dieses fischbäuchige Red festmachen kann.
Richtig festmachen.«
»Seht! Gowen oder sonst jemand holt eine Decke und ein Stück Tau.«
Endlich schafften sie es, ein Brett hinüberzulegen, Stel draufzuschieben und ihn auf die Decke gleiten zu lassen. Er ächzte, preßte aber die Lippen zusammen.
Er zitterte heftig. Als er auf Deck lag, betastete Dailith vorsichtig seine Seiten und fand links drei Knoten.
»Hör auf!« murmelte Stel. »Bist du ein Huf-schmied? Bin ich ein Stück Eisen, Dai?«
»Angeknackst oder gebrochen, Stel.«
»Schön. Deck mich zu! Ich liege gut hier. Laßt mich nur eine Weile ruhig liegen.«
Aber sie trugen ihn langsam und vorsichtig in die Männerkajüte hinunter. Raydis ernstes Gesicht beobachtete ihn, flackernd von der Lampe beleuchtet. Sobald die Männer ihn absetzten, drehte er sich auf die verletzte Seite und schlief fast sofort ein. Aintre zog Raydi schließlich weg und brachte sie zu Bett. Das Mädchen klammerte sich an sie und begann zu weinen.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Portain undeutlich von ihrer Koje her. »Warum ist er da unten geblieben? Wie ...«
»Er war zu müde, Gardehauptmann. Zu erschöpft«, sagte Aintre ruhig. »Daran hatten wir wirklich nicht gedacht, nicht wahr? Er konnte nicht her-aufkommen – sich nicht einmal bewegen, als das Boot sich zu drehen begann.«
»Nein. Daran haben wir nicht gedacht. Ist der Anker fest?«
»Dailith kümmert sich schon um alles.«
SECHS
Am nächsten Tag lag die ›Tatkraft‹ am Ufer vertäut, während Dailith die Reparatur des Schaufelrads überwachte. Die Bienenstöcke wurden an Land getragen und geöffnet, damit die Bienen einen Tag fliegen konnten und Gelegenheit bekamen, ein wenig die ersten Pollen und Honig zu sammeln. Gowen und Sawf schlugen Holz, einen großen Stapel. Raydi fischte, wenn sie nicht nach ihrem Vater sah. Portain war bei Sonnenhochstand wieder auf den Beinen, aber Stel lag in seiner Koje immer noch auf der Seite, er schien zu grübeln und aß wenig.
Gegen Abend kam Dailith herein und setzte sich auf die Koje gegenüber. »Wir sind bereit zum Abfahren, Stel«, sagte er. »Portain will, daß wir anheizen und in der Dämmerung, wenn die Bienen eingeflogen sind, noch ein Stück vorankommen.«
»Wir sind nahe an der Argemündung. Paß auf, daß du sie nicht verpaßt! Es gibt mehrere Mündungen, habe ich mir sagen lassen. Die eigentliche Mündung sieht aus wie mehrere Inseln.«
»Richtig. Wir werden uns dicht am Ostufer halten.
Eine
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