Pelbar 6 Das Lied der Axt
Seine Beine waren rot und voller Blasen. Tristal stieß ihn zu Boden und rannte den Weg zurück, den er gekommen war.
Weit vorne hörte er Raran bellen. Er folgte dem Ge-räusch, seine Brust tobte vor Schmerz; er rannte hinaus in die Dunkelheit, gleichmäßig jetzt, aber mit nervös zitternden Armen, die das Kurzschwert um-faßt hielten.
»Raran!« brüllte er. Er hörte ein Rauschen, dann war der Hund schwanzwedelnd und tänzelnd, aber auch vor Angst winselnd an seiner Seite. Raran drehte sich um und stürzte davon, und Tristal folgte ihr.
Vor sich sah er eine Gestalt. »Tris. Wie schlimm ist es? Kannst du laufen? Ich glaube nicht, daß sie uns noch mehr Schwierigkeiten machen werden. Aber man weiß es nicht.«
»Ich kann laufen«, sagte Tristal verbissen.
»Gut. Ich glaube, ich habe im Wald eine Stelle gefunden, wo wir sicher sind. Sogar, wenn wir ein Feuer machen.«
FÜNF
Sobald Tor und Tristal sich ein gutes Stück von den feindlichen Shumai entfernt hatten, fielen sie in Schritt. Erst jetzt sah Tristal, daß Tor eine tiefe, klaf-fende Wunde in der Seite hatte. Er ging klaglos weiter und nahm damit Tristals Verwirrung und seinem Ärger darüber, daß er ihn nicht früher gerettet hatte, die Spitze.
Draußen im freien, mit kurzem Gras bewachsenen Gelände blieb Tor stehen und lauschte. »Noch nichts«, murmelte er. Kein Mond war zu sehen, aber die Sterne tauchten die Szene in geisterhafte Helligkeit. »Tut mir leid, daß ich nicht früher kommen konnte. Wie geht es deiner Brust?«
»Brennt wie Feuer.«
»Ich hörte dich aufschreien, als ich gerade zum zweiten Wachtposten kam. Das war gut. Hat ihn abgelenkt. Er konnte nur einen kurzen Schrei rauskrie-gen, aber den hast du überdeckt. Das war knapp.«
»Du hast sie verbrannt?«
»Ich habe rings um sie Feuer gelegt, Gras an ihnen festgebunden und darunter Brennstoff gelegt. Ich wußte, daß sie schreien würden. Ein paar Verbrennungen haben sie vielleicht. Du schließlich auch.«
»Ja. Das stimmt. Ich möchte das nicht noch einmal durchmachen. Diese grausamen Teufel!«
»Dann laß uns weiterziehen!«
Sie marschierten auf den Wald zu und wanderten hinein und über mehrere Bergkämme, schließlich rasteten sie auf der Flanke eines Kammes, von wo aus sie einen guten Blick nach unten hatten. Sobald sie flach lagen, fiel Tristal in einen unruhigen Schlaf.
Kurz vor Sonnenaufgang erwachte er und sah, wie Tor seine Wunde nähte und dabei auf einen abgeschälten Stock biß. Raran saß mit hängenden Ohren daneben.
Tor schaute mit Tränen in den Augen zu Tristal hinüber. »Leb wohl, Dunkelheit«, sagte er. »Kannst du eine Zeitlang wachen?«
»Ja.«
Tor hielt ihm einen Becher Wasser hin, und Tristal nahm ihn und trank in tiefen Zügen. Tor beendete sein Werk, wischte sich die Hand an den Kiefernna-deln ab und rollte sich zum Schlafen zusammen.
Tristal legte sich bequem zurück und dachte, wie sonderbar das alles war, sein größtenteils mit Wandern verbrachtes Leben, Tors fast völlige Ungebun-denheit. Von neuem sehnte er sich danach, wieder bei Fahna zu sein, und wurde sich einer merkwürdigen, dem entgegengesetzten Tatsache bewußt, daß er sie nämlich eigentlich kaum kannte. Seine Brust spannte und war empfindlich, weil die Haut über den Verbrennungen zu heilen begann. Die Sonne brannte auf die Wunden, aber er hielt es nicht aus, etwas darauf zu tragen, also hielt er nur die Hände hoch, damit sie Schatten warfen.
Gegen Sonnenhochstand kam Raran, die auf Jagd gewesen war, zurück, drehte sich um und knurrte.
Tor setzte sich auf. Über den Berg im Osten näherten sich langsam drei von den Shumai. Einer hinkte. Sie trugen Speere.
»Schärfe diesen Schaft, Tris«, sagte Tor.
»Ich habe keine Speerspitze.«
»Wir können alles brauchen. Jeden Schaft, den du halten kannst. Ich glaube nicht, daß sie es auf einen Kampf abgesehen haben.«
Die beiden Gruppen sahen sich über das schmale, bewaldete Tal hinweg an. Die drei Shumai berieten sich. Dann steckte einer von ihnen seinen Speer in den Boden und kam alleine näher. Während er langsam den Berg heraufstieg, rief Tor: »Das ist weit genug. Wir können dich hören.« Es war der Mann mit dem sandfarbenen Haar, der gesprochen hatte, als Tor der Bande zum erstenmal begegnet war.
»Willst du uns helfen?« fragte der Mann. »Wir haben drei Schwerverletzte.«
»Helft euch doch selbst!«
»Keiner von uns hatte je die Führung.«
Tor zog seine Axt aus der Scheide. »Komm herauf!«
Der Mann stieg langsam
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