Pelbar 7 Das Schwert der Geduld
Beispiel heißt es an einer Stelle: ›Ich schaffe Freud und Leid, ich bin der Herr, der all dies verursacht.‹ Mit dem ›Herrn‹ ist Aven gemeint. Später heißt es dann von diesem Herrn: ›Du, der du reineren Auges bist, Böses nicht zu schauen vermagst und Unrecht nicht ansehen kannst.‹ Das scheint zu bedeuten, daß Aven nichts Böses sehen kann, wohingegen es doch an anderer Stelle heißt, Sie habe es geschaffen, indem Sie das Leid schuf.«
»Aha. Und was sagt Stel dazu?«
»Nicht viel, Protektorin. Er sieht das Buch wie ein Netz an, das in den Fluß gehängt wird, und mit dem man einige wertvolle Dinge herauszieht, und andere, die man zurückwirft. Er macht sich keinerlei Sorgen wegen der gewaltigen Verwirrung, die er in die Religion der Pelbar bringt, deren Tugenden doch Klarheit und innere Logik sind.«
»Und die Begrenzung und Beherrschung der Menschen«, sagte Isend. »Verzeih, Protektorin.«
»Du bekommst Gelegenheit, dich zu äußern, unter der Bedingung, daß du niemand unterbrichst, der das Wort hat, Isend.«
»Ja. Ich bedauere es, Protektorin.«
»Protektorin«, fuhr Dessic fort, »in Stels Buch werden die zentralen Lehren Pels verstümmelt und einem Mann in den Mund gelegt, der angeblich getötet wurde und wieder ins Leben zurückkehrte.«
»Das mag eine Metapher sein, Dessic, wie eine Idee, die zwar vergessen werden kann, die aber, wenn man sich ihrer erinnert, mit aller Macht ihrer Wahrheit zurückkommt.«
»Dem letzten Teil des Textes nach zu urteilen trifft das nicht zu, Protektorin. Und wir sehen, wie bei unseren fernen Freunden, den Atherern, Spuren dieser verderblichen Praxis Fuß fassen; sie halten es jetzt für notwendig, völlig im Wasser unterzutauchen, um gute Menschen zu werden, und drohen allen, die nicht dieser Meinung sind, ein schreckliches Weiter-leben nach dem Tode an.«
»Soviel ich gehört habe, Dessic, ist das nur eine Ansicht bei ihnen.«
»Ja, Protektorin, aber eine, die unter einem früher einigen Volk Zwietracht verursachen, da einige gute Menschen behaupten, die einzig Gerechten zu sein, und die aufrichtige Freundschaft der anderen zu-rückweisen.«
»Ach, Dessic, wenn das beklagenswert ist, warum gibt es dann diese Vorgänge auch bei uns? Oder tust du im Augenblick nicht das gleiche?«
»Eigentlich nicht, Protektorin. Sie gründen ihre sonderbaren Ansichten auf dieses völlig fremde, wir-re Buch und nicht auf den gesunden Menschenver-stand, die Nächstenliebe und die solide Tradition, die die Grundlage der Pelbar-Schriften bilden.«
»Darf ich dazu etwas sagen, Protektorin?«
»Überläßt du Isend das Wort, Dessic?«
»Wenn du es wünschst, Protektorin.«
»Sprich, Isend!«
»Genau dieser Punkt scheint einigen von uns von höchster Bedeutung zu sein, Protektorin. Wenn wir diesen Text betrachten und daneben die Schriften Pels und sogar einige von Ollo, so scheint es sehr klar, daß die Pelbar-Tradition in Stels Buch ihren Anfang nahm, das aber von Pel zurechtgestutzt und neu gefaßt wurde, um es ihren Ansichten anzupassen.
Wenn also in Pels Schriften irgendwelche Autorität zu finden ist, so kann sie in Wahrheit auf das ältere und vollständigere Buch zurückgeführt werden. Wir wissen die Tatsache zu schätzen, daß Pel bei der Neu-fassung und der Herstellung logischer Zusammen-hänge eine Meisterleistung vollbracht hat, und daß ihr Text uns viele Jahrhunderte lang gute Dienste geleistet hat, aber trotz alledem ist er sicher abgeleitet, und wir können nicht einsehen, inwiefern es schädlich sein soll, wenn wir endlich den Quellentext in Händen haben, aus dem der ihre hervorgegangen ist.
Weiterhin ist Stels Text manchmal erhellend wie ein Blitz in seiner tiefen Einsicht und seiner sprachlichen Reinheit. Pels Buch wirkt im Vergleich dazu in seinem Horizont und seinem Verständnis bemerkenswert beschränkt.«
Bei diesen Worten entfuhr einigen Ratsmitgliedern ein Keuchen, und die Protektorin hob die Hand, um Schweigen zu gebieten.
»Protektorin, genau der Verlust dieser Logik ist es doch, der uns so großen Schaden bringen wird«, fiel Dessic wieder ein. »Die Führerschaft der Frauen, die Pel proklamiert hat, hat nicht nur die Gesellschaft der Pelbar geordnet, sie war offensichtlich auch eine Hilfe bei der Schaffung des Friedens für eine gesamte Region, sie hat unsere Beziehungen zuerst zu den Au-
ßenstämmen und jetzt zur Föderation erleichtert.
Wenn wir die Logik verlieren, verlieren wir auch unseren erzieherischen Einfluß.«
»Und doch
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