Pelbar 7 Das Schwert der Geduld
ihm, und er wendete sein Pferd und ritt auf den Mann zu.
Weit hinten trat ein Innanigani-Leutnant in Winte-runiform zu der Menge, die um den Toten herum-standen. »Jetzt seid ihr in Sicherheit«, sagte er grinsend. »Borund hat einen ganzen Fächer von Patrouillen ausgeschickt. Das war der letzte von diesen Peshtak-Strolchen, mehr sind nicht mehr da. Wir haben genügend Verpflegung und Decken.«
»Das ist Unfor vom Runswik-Zug, du idiotischer Schweinekotfresser«, sagte Zard. »Der Peshtakstrolch – oder vielmehr Garet, der Pelbar – hat ihm wegen seiner Erfrierungen seinen Wintermantel gegeben.«
»Tja, den braucht er jetzt nicht mehr«, sagte ein Mann auf einem der Schlitten. »Wie wäre es, wenn ihr ihn mir gebt?«
»Nicht gut«, rief ein anderer mitten aus dem Kreis von Männern. »Er ist ganz zerrissen und mit Blut durchtränkt.«
»Schicksal! Wenn ich jemals nach Innanigan zu-rückkomme, gehe ich nie wieder weg.«
»He, langsam jetzt!« sagte der Leutnant. »Ein biß-
chen Ordnung wollen wir hier schon haben. Formiert euch, und dann Abmarsch, damit wir eine Stelle erreichen, die wir verteidigen können.«
»Also Männer«, schrie Unterführer Lollar. »Wir formieren uns, und dann ab zu einer Stelle, die wir verteidigen können.«
Mehrere Männer lachten. »Leutnant«, rief einer.
»Hast du Kekse mitgebracht? Ich brauche einen Keks.« Da lachten noch mehr, und der Unterführer der Entsatztruppe blies wieder und immer wieder auf seinem Horn, um für Ordnung zu sorgen, während der Leutnant mit hochrotem Kopf Befehle brüllte, um die sich kein Mensch scherte.
ZEHN
Im uralten, steinernen Gerichtssaal in Pelbarigan drängte sich eine Versammlung, die nicht nur den vollzähligen Rat der Stadt umfaßte, sondern auch ein Gremium von Vertretern der Geistlichkeit. Von zwei Gardisten flankiert saß Alance, die Protektorin, auf dem Podium. Alle verneigten sich schweigend, als das schräg durch das Fenster fallende Sonnenlicht langsam über die Markierungen auf dem Fußboden wanderte und so die Zeit für das Eröffnungsgebet abmaß. Schließlich klopfte der älteste Gardist mit dem Griff seines Kurzschwerts auf den Tisch und verkündete damit das Ende des Gebetes.
Im Raum wurde es lebendig. Alance räusperte sich.
»Wie ihr alle wißt, sind wir hier, um die gegenwärtig vieldiskutierte Angelegenheit mit Stels altem Buch zu regeln. Soviel ich mitbekommen habe, gibt es sogar unter der Geistlichkeit unterschiedliche Ansichten darüber. Ist das richtig?«
Dessic, eine hochgewachsene, ältere Geistliche, stand auf. »Protektorin, ich möchte mich dazu äu-
ßern.«
»Ja, Dessic. Sprich!«
»Protektorin, wir müssen zwar zugeben, daß in unserem Kreis einige Differenzen bestehen, aber es wäre wohl kaum zutreffend, das als unterschiedliche Ansichten zu bezeichnen. Es ist wahrscheinlich eher eine allgemein akzeptierte Auffassung mit einigen Abwei-chungen.«
»Ich protestiere gegen diese Beschreibung, Protektorin«, sagte eine jüngere Frau.
»Alles zu seiner Zeit, Isend. Nun, Dessic, könntest du das Problem aus deiner Sicht zusammenfassen?«
»Es geht um das Ketzerbuch, Protektorin. Das Stel aus Ginesh mitgebracht hat. Er behauptet, es sei eine Schrift aus alter Zeit, und er und seine Freunde fertigen Abschriften davon an, so schnell sie können. Es bestehen einige Ähnlichkeiten mit den Schriften Pels, aber es gibt auch Entstellungen darin, und durch diese Entstellungen unterhöhlt das Buch die Autorität und Frömmigkeit unserer religiösen Praxis. Es ist ein schrecklich gemischtes Buch, mit Stellen voll abscheulicher Gewalttätigkeit und mit einigen recht in-teressanten und nützlichen moralischen Unterwei-sungen. Seine Ansichten über göttliche Eingebungen erscheinen jedoch tollkühn, es wird befürwortet, sich ohne jede Rücksicht auf die eigene Vernunft auf die göttliche Hilfe zu verlassen, wobei Pels Grundsatz völlig unbeachtet bleibt, daß das Gebet zwar eine Hilfe ist, aber immer nur in Übereinstimmung mit prak-tischen Überlegungen funktioniert, da es ja zum Teil selbst eine Entdeckung der natürlichen Logik der Dinge ist. Man geht ja schließlich nicht ohne Vorräte auf eine lange Winterreise und betet dann darum.
Und außerdem herrschen, wie man es von einer Ket-zerschrift nicht anders erwarten kann, in diesem Buche die Männer.«
»Aha. Kannst du einige Beispiele für die Dinge in diesem Buch nennen, die du für beanstandenswert hältst?«
»Davon gibt es Myriaden, Protektorin. Zum
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