Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pellkartoffeln und Popcorn

Pellkartoffeln und Popcorn

Titel: Pellkartoffeln und Popcorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
großartig. Man merkte ihr die Überraschung zwar an, als sie den Blumenflor entdeckte; die übrigen Huldigungen ließ sie jedoch in gefaßter Haltung über sich ergehen. Ein vorsichtiger Versuch, nach beendeter Ovation zur Tagesordnung überzugehen, wurde von der
    Klasse im Keim erstickt. »Können Sie denn nicht einmal die Lehrerin vergessen?« – »Schule ist doch nicht Lebensinhalt!« – »Warum erzählen Sie nicht mal etwas über sich?«
    Wir waren ja so unheimlich mutig geworden! Quasi stand hilflos vor dem entfesselten Haufen, sah offensichtlich ihre geheiligte Privatsphäre bedroht, zog sich aber ganz geschickt aus der Affäre, indem sie fragte: »Was wollt ihr denn wissen?«
    Schweigen. Danach zu fragen, was uns wirklich interessierte, wäre taktlos gewesen. Blieben also nur die unverfänglichen Dinge. »Sind Sie eigentlich ein Einzelkind?«
    »Ja. Merkt man mir das nicht an?«
    Gedämpfte Heiterkeit. Das Frage- und Antwortspiel ging weiter, und endlich taute sie auf. Sie erzählte Anekdoten aus ihren Studienjahren, amüsierte uns mit anschaulichen Berichten aus dem KLV-Lagerleben und skizzierte mit einigem Sarkasmus ehemalige Parteigrößen, mit denen sie sich damals hatte herumrangeln müssen. Wir kringelten uns vor Vergnügen und entdeckten zu unserer größten Überraschung, daß Quasi nicht nur eine gehörige Portion Humor besaß, sondern darüber hinaus einen ausgeprägten Sinn für Situationskomik. Die beiden Stunden waren viel zu schnell vorüber; und als es zur großen Pause klingelte, hatte sich Quasi endgültig die uneingeschränkte Sympathie der Klasse erworben. Evchen, schon daran gewöhnt, angeblich in unmittelbarer Nachbarschaft zu wohnen, sollte nach Schulschluß die Blumen transportieren und stopfte das Grünzeug zunächst ins Waschbecken, wo es die begreifliche und manchmal etwas neiderfüllte Neugier der Lehrkräfte erweckte, die nach Quasi Stunde gaben. Im Klassenbuch entdeckten wir später in der entsprechenden Rubrik Quasis Eintrag für den heutigen Tag: Tell III. Akt 4. Aufz. Schiller würde sich gewundert haben.
30
    Endlich Sommerferien! Viereinhalb Wochen lang keine unregelmäßigen Verben mehr und keine gleichschenkligen Dreiecke, keine kommunizierenden Röhren und keine gezeichneten Blumenvasen, die sowieso immer wie Nachttöpfe aussahen. Statt dessen häufigeres Schlangestehen und ständiger Einsatz im Schrebergarten, um Unkraut zu ziehen und die bleichen Schlangengurken zu bewässern. Schließlich hatte ich jetzt ja genügend Zeit!
    Allmählich begriff ich, daß Ferien und Ferien zwei verschiedene Schuhe sind! Früher bedeuteten Ferien Reisevorbereitungen, Schlaflosigkeit wegen Reisefieber und dann endlich das Taxi, das uns zum Bahnhof brachte. Wir fuhren regelmäßig an die Ostsee. Der Kurort hieß jedesmal anders, das Meer war immer dasselbe. Aber ob Ahlbeck, Heringsdorf oder Swinemünde war egal, der Tagesablauf blieb der gleiche. Nach dem Frühstück an den Strand, nach dem Mittagessen ins Bett, danach Spaziergang auf der Strandpromenade mit anschließendem Kurkonzert, dann Abendessen und Schlafengehen. Sicherlich sehr erholsam – aber auch genauso langweilig. Jedenfalls während der ersten vierzehn Tage, wenn ich unter Omis Obhut stand. Sie betrachtete es schon als Gipfel der Ausschweifung, wenn sie sich im Anschluß an das Nachtmahl zusammen mit einer Gleichgesinnten alleinstehenden Dame ins Nachtleben stürzte und irgendwo ein Glas Wein trank. Ins Wasser ging sie auch nie, weil sie um keinen Preis einen Badeanzug angezogen hätte und als einzige Konzession an das Seebad sogenannte Strandkleider trug. Das waren legere Hänger mit rundem Ausschnitt und ohne Ärmel. Wenn ich mit Buddel eimer und Segelschiffchen im Wasser spielte, stand Omi daneben, barfuß mit hochgeschürztem Rock und paßte auf, daß ich nicht zu weit hineinging. An dem kostenlosen Schwimmunterricht durfte ich auch nie teilnehmen, weil sie Angst hatte, ich könnte dabei ertrinken.
    Nach zwei Wochen kam dann die Wachablösung. Meine Eltern reisten an, Omi reiste ab. Jetzt gingen wir auch nachmittags an den Strand, unternahmen Dampferfahrten nach Rügen oder Kutschfahrten in die Umgebung, statt zum Kurkonzert gingen wir Eisessen, und wenn ich schreiend vor den Wellen türmte, setzte Vati mich auf einen Gummiring und schob mich mitten in die Brandung. Baungebrannt, bepackt mit Muscheln und kleinen Bernsteinstückchen, die wir hin und wieder am Strand gefunden hatten, kamen wir nach Berlin zurück, und noch

Weitere Kostenlose Bücher