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Pellkartoffeln und Popcorn

Pellkartoffeln und Popcorn

Titel: Pellkartoffeln und Popcorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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wieder ein anderer, aber keiner hatte Träger, und wir haben uns tagelang den Kopf zerbrochen, wie der ›da oben‹ halten würde. Schließlich einigten wir uns auf die Vermutung, man habe das Textil wohl irgendwie festgeklebt. (Als ich mir Jahre später meinen ersten trägerlosen Badeanzug kaufte, erinnerte ich mich wieder an diesen Film und ignorierte die beiden bleistiftdünnen Stoffstreifen, die der Packung beigelegt waren. Der Anzug hielt ja wirklich von allein und überstand sogar den Kopfsprung vom Einmeterbrett. Als ich siegesgewiß wieder aus dem Wasser auftauchte, konnte ich mir das unverschämte Grinsen meines Begleiters gar nicht erklären, bis ich merkte, daß der Badeanzug diesmal nicht gehalten hatte!)
    Am letzten Ferientag spazierte die nunmehr wieder vollzählige Clique noch einmal in den Zoo. Laut Zeitungsmeldung sollte es bei den Schimpansen Nachwuchs gegeben haben. Am Eingang hatten bereits wieder fliegende Händler Posten bezogen und priesen Insektenvertilgungsmittel an, neuartige Hosenträger und alte Stahlhelme, die jetzt mit symmetrischen Löchern versehen und als Küchensiebe im Handel waren. Außerdem entdeckten wir eine Holzbude, in der Kaltgetränke und Schlagcreme verkauft wurden. Die Getränke kannten wir schon: sie bestanden aus Chemie und schmeckten widerlich. Die Schlagcreme war neu auf dem Markt und sah aus wie unser heutiges Softeis, Marken brauchte man auch nicht, also kauften wir uns fünf Portionen. Während wir noch herumrätselten, woraus das Zeug hergestellt sein mochte, zeigte Anita auf ein Schild, das neben dem Elefantengehege stand. Einigermaßen schockiert lasen wir: ›Schlagcreme ist nur für den menschlichen Genuß bestimmt, das Verfüttern an Tiere ist streng verboten!‹
    Irene warf den Pappbecher auf den Boden und meinte gleichmütig: »Ist ja auch verständlich. Wenn wir krepieren, fällt das nicht weiter auf. Wenn aber einer von den Elefanten eingeht, gibt es in allen Zeitungen seitenlange Nachrufe!«
    Der erste Schultag mit neuerworbener Quartanerreife begann mit einer Überraschung: Die Klasse wurde geteilt. Die Schulbehörde hatte angeordnet, daß es künftig einen mathematisch-naturwissenschaftlichen und einen sprachlich schöngeistigen Zweig zu geben habe, was immer man darunter verstehen wollte. Die Anti-Quasis wählten geschlossen die naturwissenschaftliche Sparte und nahmen noch ein paar Wankelmütige mit, die bisher so eine Art Zwitterdasein geführt hatten. Alles in allem zogen 17 Schülerinnen in die Parallelklasse. Dafür bekamen wir von dort 11 Neuzugänge, die sich für das Schöngeistige entschieden hatten und als erstes zu wissen begehrten, ob Quasi denn nun wirklich so furchtbar sei. »Ach was, die ist schon ganz in Ordnung. Wir haben sie uns inzwischen recht gut erzogen, und wehe euch, wenn ihr jetzt querschießt!« Die Neuen, ohnehin noch nicht integriert, gelobten Zurückhaltung und bedingungslose Anpassung.
    Aus wohl niemals zu klärenden Gründen besteht zwischen Parallelklassen seit jeher eine gewisse Rivalität. Man nimmt sich bestenfalls gegenseitig zur Kenntnis, und bei uns förderten nicht einmal die gemeinsamen Turnstunden eine Annäherung. In unserem Fall kam noch als erschwerendes Moment hinzu, daß die ›Mathematiker‹ uns natürlich in einigen Fächern ziemlich schnell überlegen waren. Hatten wir wieder einmal eine total verkorkste Arbeit zurückbekommen, dann erschienen garantiert ein paar Mitglieder der Nachbarklasse, erkundigten sich scheinheilig nach dem Grund unserer auffälligen Niedergeschlagenheit, um dann herablassend zu erklären, daß wir doch allesamt hoffnungslose Idioten seien, wenn wir diesen leichten Stoff nicht beherrschten. Wir rächten uns allerdings in ähnlicher Weise und bedauerten die armen Ignoranten, die im Englischen offensichtlich auf dem Niveau der ersten Klasse stehengeblieben waren; aber im großen und ganzen blieb dieser Kleinkrieg ziemlich unbefriedigend.
    Im übrigen lernten wir jetzt auch Französisch. Bei Herrn Dr. Strack. Natürlich wendeten wir weiterhin die bewährte Methode an, bei Übersetzungen und erst recht bei Klassenarbeiten aufgeschlagene Vokabelhefte und Lexika zu benutzen, und sogar Frau Rothe beglückwünschte uns im Anschluß an die nächste Zeugnisverteilung zu unseren einheitlich guten Leistungen. Das geschah aber erst im Herbst. Im Augenblick schrieben wir Mai, zählten die Tage bis zu den Sommerferien und lasen Wilhelm Tell. Quasi hatte uns für geistig reif genug befunden,

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