Pendergast 01 - Relic - Museum der Angst
zwei uniformierten Polizisten, langsam zwischen den Tischreihen hindurchschritt, steckte eine unangezündete Zigarre.
Als er vorn angekommen war, baute er sich breitbeinig vor den versammelten Angestellten auf, zog seine Hose hoch, nahm die Zigarre aus dem Mund und bohrte mit der Zunge ein Stückchen Tabak aus den Zähnen. Dann räusperte er sich laut und vernehmlich. »Würden Sie mir bitte für einen Moment Ihre Aufmerksamkeit schenken«, begann er. »Ich fürchte, Sie werden es wohl noch eine Weile mit uns aushalten müssen.«
Von hinten im Raum erhob sich eine vorwurfsvolle Stimme: »Entschuldigen Sie bitte, Mr. – wie war doch Ihr Name?« Margo hob den Kopf und blickte in die Menge. »Das ist Freed«, flüsterte Kawakita ihr zu. Margo hatte schon von Frank Freed, dem leicht reizbaren Kurator der fischkundlichen Abteilung, gehört.
Der Mann im braunen Anzug sah Freed an. »Ich bin Lieutenant D’Agosta«, bellte er. »Von der New Yorker Polizei.«
Diese Antwort hätte wohl viele andere zum Verstummen gebracht, aber Freed, ein ausgezehrter Mann mit langen, grauen Haaren, zeigte sich unbeeindruckt. »Vielleicht«, sagte er mit sarkastischem Unterton, »hätten Sie die Güte, uns darüber aufzuklären, was hier eigentlich vor sich geht? Ich denke, wir haben ein Recht, zu erfahren –«
»Ich
würde
Sie ja gerne über alles informieren«, schnitt D’Agosta ihm das Wort ab, »aber momentan weiß ich selbst nicht mehr, als daß hier im Gebäude eine Leiche gefunden wurde, deren nähere Todesumstände wir gegenwärtig ermitteln. Wenn –«
Alle Anwesenden redeten plötzlich wild durcheinander. D’Agosta hob müde die Hand.
»Ich kann Ihnen nur sagen, daß die Mordkommission im Haus ist und daß die Untersuchungen laufen«, fuhr er mit lauter Stimme fort. »Ab sofort ist das Museum geschlossen. Momentan darf es niemand betreten und auch niemand verlassen. Wir hoffen, daß es sich hierbei nur um eine vorübergehende Maßnahme handeln wird.«
D’Agosta machte eine Pause. »Wenn es sich wirklich um einen Mord handeln sollte, dann gibt es die Möglichkeit – die
Möglichkeit,
habe ich gesagt –, daß sich der Täter noch immer im Gebäude aufhält. Wir möchten Sie lediglich bitten, eine oder zwei Stunden hierzubleiben, bis wir alles durchsucht haben. Ein Beamter wird später Ihre Personalien aufnehmen.«
In der verblüfften Stille, die dieser Ansprache folgte, verließ D’Agosta den Raum und schloß die Tür hinter sich. Einer der zurückgebliebenen Polizisten holte sich einen Stuhl und setzte sich demonstrativ vor die Tür. Langsam wurden die Gespräche wieder aufgenommen. »Soll das heißen, daß wir hier eingesperrt sind?« rief Freed. »Das ist ja ungeheuerlich.«
»Du meine Güte«, hauchte Margo. »Meinen Sie, daß Prine der Mörder ist?«
»Schrecklich, nicht wahr?« sagte Kawakita. Er stand auf und ging hinüber zu der Kaffeemaschine, wo er sich mit einer energischen Handbewegung die letzten Tropfen aus der Kanne einschenkte. »Aber nicht mal halb so schrecklich wie die Vorstellung, daß ich morgen womöglich unvorbereitet meinen Vortrag halten muß.«
Margo wußte, daß junge Überflieger wie Kawakita niemals wirklich unvorbereitet waren.
»Ein gutes Image ist heutzutage einfach alles«, fuhr Kawakita fort. »Mit Wissenschaft allein läßt sich so gut wie kein Forschungsauftrag mehr an Land ziehen.«
Margo nickte mechanisch. Sie hörte Kawakita, hörte das Gemurmel der vielen Stimmen um sie herum, aber nichts von alledem schien ihr wichtig. Sie mußte ständig an das Blut auf Prines Schuhen denken.
5
A lle mal herhören«, sagte der Polizist eine Stunde später. »Sie können jetzt gehen. Aber halten Sie sich von den Bereichen fern, die mit einem gelben Band gekennzeichnet sind.«
Als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte, hob Margo mit einem Ruck den Kopf. Vor ihr stand Bill Smithback, groß und schlaksig, und hielt zwei spiralgebundene Notizbücher in der anderen Hand. Wie immer sahen seine braunen Haare so aus, als wäre er eben erst aus dem Bett gestiegen. Hinter ein Ohr hatte er einen abgekauten Bleistiftstummel geklemmt, der Kragen seines Hemdes stand offen, und der Knoten seiner schlampig gebundenen Krawatte hing auf Halbmast. Er war die perfekte Karikatur eines hart arbeitenden Journalisten, und Margo hatte den Eindruck, als pflege er dieses Aussehen auch noch bewußt. Smithback sollte im Rahmen der anstehenden Hundertjahrfeier ein Buch über das Museum schreiben, unter
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