Pendergast 01 - Relic - Museum der Angst
erkennen kann. Dort, wo der Brustkorb geöffnet wurde, möchte ich Großaufnahmen haben. Es sieht so aus, als hätte uns der Mörder die Arbeit des Aufschneidens abgenommen, was meinen Sie, Lieutenant?«
»Stimmt«, sagte D’Agosta und schluckte schwer.
Der Fotograf blitzte mehrmals hintereinander.
»Eine Pinzette, bitte«, fuhr Ziewicz fort. »Drei ausgefranste Schnitte beginnen kurz oberhalb der linken Brustwarze im großen Brustmuskel, den sie verletzen und weiter unten sogar durchtrennen. Ich öffne jetzt den ersten Schnitt am Anfang und entnehme eine Probe. Hier bitte eine Klammer hin, Fred.
Jetzt entnehme ich eine Probe aus der Wunde. Hier ist etwas unidentifiziertes Material. Haben Sie eine Plastiktüte zur Hand, Fred? Es sieht aus wie ein winziger Stoffetzen, möglicherweise vom Hemd des Opfers. Foto bitte!«
Der Blitz flammte auf, dann holte Ziewicz mit der Pinzette ein paar blutige Fasern aus der Wunde und ließ sie in einen kleinen Plastikbeutel fallen. Eine Zeitlang arbeitete sie schweigend an dem Einschnitt weiter.
»Etwa vier Zentimeter unterhalb der rechten Brustwarze befindet sich tief im Muskel ein weiteres Stück unidentifizierten Materials. Es steckt an einer Rippe fest. Foto bitte. Und markieren Sie die Stelle, Fred.«
Ziewicz holte mit der langen Pinzette ein blutiges Klümpchen aus der Leiche.
D’Agosta trat wieder einen Schritt vor. »Was ist das? Können Sie es nicht abwaschen, damit wir sehen können, um was es sich handelt?«
Ziewicz sah ihn mit der Andeutung eines Lächelns an. »Fred, bringen Sie mir ein Becherglas mit sterilem Wasser.«
Als sie den Klumpen ins Glas fallen ließ und umrührte, nahm das Wasser eine bräunlichrote Farbe an.
»Lassen Sie das Wasser analysieren, vielleicht findet sich noch was drin«, sagte sie, während sie ihren Fund ans Licht hielt.
»Jesus, Maria und Josef«, sagte D’Agosta. »Es ist eine Klaue. Eine gottverdammte Klaue!«
Ziewicz wandte sich an ihren Assistenten. »Was für ein herziges Stückchen Monolog für unsere Tonbandaufnahme, finden Sie nicht auch, Fred?«
11
M argo warf ihre Bücher und Papiere aufs Sofa und blickte hinüber zu der Digitaluhr auf dem Fernseher. Es war Viertel nach zehn. Margo hatte einen entsetzlichen Tag hinter sich. Trotz vieler Überstunden hatte sie nur drei neue Absätze für ihre Dissertation geschafft. Und dabei hatte sie mit der Arbeit für Moriartys Schaukasten noch nicht einmal angefangen. Sie seufzte und bedauerte bereits, daß sie ihre Mitarbeit an diesem Projekt zugesagt hatte.
Das Neonlicht eines Schnapsladens auf der gegenüberliegenden Straßenseite drang durch das einzige Fenster von Margos Wohnzimmer und tauchte es in ein elektrisch wirkendes, bläuliches Halbdunkel. Margo knipste die kleine Deckenleuchte an, lehnte sich mit dem Rücken an die Tür und besah sich bedächtig die Unordnung in dem Zimmer. Normalerweise hielt sie hier eine schon fast übertriebene Ordnung, aber jetzt, wo sie fast eine Woche lang nicht mehr aufgeräumt hatte, lagen Lehrbücher, Beileidsbriefe, amtliche Dokumente, Schuhe und Pullover überall auf den Möbeln verstreut herum. In der Küchenspüle türmten sich die leeren Mitnahmekartons von dem chinesischen Restaurant im Erdgeschoß, und auf dem Holzfußboden waren neben Margos alter Royal-Schreibmaschine großflächig ihre Arbeitsnotizen ausgebreitet.
Dieses schäbige Viertel – Margo wohnte im oberen, noch nicht sanierten Teil der Amsterdam Avenue – war für ihren Vater ein weiterer Grund gewesen, warum er hartnäckig ihre Rückkehr ins heimatliche Boston gefordert hatte. »Das ist kein Ort, an dem ein Mädchen wie du wohnen sollte, Midge«, hatte er gesagt. »Und genausowenig solltest du in diesem Museum arbeiten, wo du den lieben langen Tag nichts anderes siehst als tote Tiere und in Spiritus eingelegtes Zeug. Was ist das denn für ein Leben? Komm doch zurück und arbeite für mich, dann könnten wir dir ein Haus in Beverly oder Marblehead besorgen. Da würdest du dich viel wohler fühlen, Midge, ganz bestimmt.« Margo bemerkte, daß das Licht an ihrem Anrufbeantworter blinkte, und drückte auf die Abhörtaste.
»Hier ist Jan«, begann die erste Nachricht. »Ich bin erst heute wieder nach New York zurückgekommen und habe gerade eben das mit deinem Vater erfahren. Sein Tod hat mich schwer getroffen. Ich rufe dich später noch mal an, ich möchte mit dir reden, okay? Wiedersehen.«
Margo wartete eine Weile, dann hörte sie eine andere Stimme. »Margo,
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