Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
wurde. Der Mann schlug wild um sich, während ihm schwarzer Schlamm aus dem Mund quoll und seine Schreie zu einem unverständlichen Gurgeln verstümmelten. Teils ockerfarbene, teils dunkelbraune Brühe tropfte von seinem Taucheranzug. Vermutlich hatte der arme Kerl da unten das Seil verloren und war dann in Panik geraten.
Er konnte von Glück sagen, daß er es doch noch irgendwie an die Oberfläche geschafft hatte. D'Agosta wartete, bis man den Taucher an Bord gehievt, seinen Anzug mit einem Schlauch abgespritzt und den hysterischen Mann wenigstens halbwegs beruhigt hatte. Schließlich hockte er sich ans Heck und erbrach sich ins Wasser. Wenigstens nicht ins Boot, dachte D'Agosta anerke nnend. Nach dem, was er der wirren Erzählung des hysterischen Mannes entnehmen konnte, hatte der im Schlamm offenbar ein, nein, zwei Skelette gefunden. Das war zwar nicht gerade das, wofür man ihn da hinuntergeschickt hatte, aber trotzdem nicht schlecht für seinen ersten Taucheinsatz. D'Agosta beschloß, dem armen Kerl eine Empfehlung zu schreiben.
Wenn ihm nichts von dem Morast, der ihm an Mund und Nase geklebt hatte, in die Lunge gekommen war, dann würde er vermutlich in ein paar Stunden wieder okay sein. Und wenn nicht... nun, mit ein paar Antibiotika konnte man heutzutage wahre Wunder vollbringen.
Als das erste Skelett aus dem schäumenden Wasser auftauchte, war es noch völlig mit Schlamm bedeckt. Ein auf der Seite schwimmender Taucher zog es herüber zu D'Agostas Boot, schlang ein Netz darum und kletterte an Bord. Dann hievte er das Netz vorsichtig aus dem Wasser und legte das schlammtriefende Knochengebilde wie einen grausigen Fang auf eine zu D'Agostas Füßen ausgebreitete Plane.
»Großer Gott, ihr hättet es wirklich vorher abspritzen können«, knurrte D'Agosta, als ihm der scharfe Geruch von Ammoniak in die Nase stieg. Sobald das Skelett aus dem Wasser war, fiel es in seinen Zuständigkeitsbereich, doch insgeheim wünschte D'Agosta sehnlichst, es wäre unten im Schlamm geblieben. Daß es keinen Kopf mehr hatte, hatte er nämlich schon auf den ersten Blick bemerkt.
»Soll ich es abspritzen, Sir?« fragte der Taucher und griff nach dem Schlauch.
»Machen Sie lieber zuerst sich selber sauber«, sagte D'Agosta und rümpfte die Nase. Der Taucher, dem ein gebrauchtes Kondom links am Kopf klebte, sah ebenso unappetitlich wie lächerlich aus. Dann erschienen zwei weitere Taucher neben dem Boot und kletterten an Bord, wo sie langsam an einem Seil zu ziehen begannen, während ein dritter Froschmann das zweite Skelett vorsichtig in Richtung Bordwand bugsierte. Als es neben dem anderen auf der Plane lag und alle sahen, daß es ebenfalls keinen Kopf mehr hatte, machte sich auf den beiden Booten eine betretene Stille breit. Auch das Päckchen Heroin hatten die Taucher gefunden und, verpackt in einen Beweismittelbeutel aus Gummi, aufs Deck des Polizeibootes gelegt. D'Agosta jedoch interessierte das Rauschgift nur noch am Rande.
Der Lieutenant zog nachdenklich an seiner Zigarre und ließ den Blick über das schmutzige Wasser des Humboldt Kill schweifen, bis er auf der Öffnung eines großen Abwasserrohrs innehielt. Ein paar bräunlich-weiße Stalaktiten ragten wie Zähne von der Decke des Rohres, dem Ende des riesigen Entwässerungssystems der Upper West Side. Wann immer es in Manhattan stark regnete und das Klärwerk am Lower Hudson mit den Wassermassen nicht mehr fertig wurde, rauschten durch dieses Rohr Hunderttausende von Litern ungeklärten Abwassers in den Humboldt Kill.
Kein Wunder, daß dieses Gewässer cloaca genannt wird, dachte D'Agosta und warf den Stummel seiner Zigarre ins Wasser. »Ich schätze, ihr müßt noch mal da runter, Leute«, sagte er zu den Tauchern. »Ich brauche die beiden Schädel.«
2
Louis Padelsky sah auf die Uhr und spürte plötzlich, wie sein Magen knurrte. Padelsky war Pathologe am Gerichtsmedizinischen Institut der Stadt New York und buchstäblich kurz vor dem Verhungern. Seit drei Tagen hatte er nichts anderes zu sich genommen als SlimCurve-Schlankheitsdrinks, und heute war der einzige Tag in der Woche, an dem er sich ein normales Mittagessen gönnen durfte. Popeye's Fried Chicken.
Padelskyfuhr sich mit der Hand über seinen dicken Bauch und kniff prüfend hinein, um festzustellen, ob er schon etwas abgenommen hatte. Ja, dachte er. Er war eindeutig dünner geworden.
Der Pathologe nahm einen Schluck aus seiner Tasse mit schwarzem Kaffee – es war die fünfte an diesem Vormittag –
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