Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens
klar, Sheriff.«
»Okay, Tad. Ich verlass mich auf Sie.«
Tad hängte das Funkgerät in die Halterung. Und merkte plötzlich, dass er nun doch ein nervöses Prickeln verspürte. Nicht, dass ihm die Tornadowarnung Bauchschmerzen bereitete, das hatte er schon etliche Male durchexerziert. Aber bei dem Gedanken, dass er ohne den gottverdammten Tornado dabei gewesen wäre, wenn das Sonderkommando in das unterirdische Höhlensystem eindrang und Jagd auf den Mörder machte, wurde er doch kribbelig. Das wäre endlich mal etwas ganz anderes gewesen!
Er schlüpfte durch die Hintertür ins Freie, von Anfang an darauf bedacht, dem Wind auf keinen Fall das Gesicht entgegenzuhalten. Die heftigen, mit Sand und Splitt voll gesogenen Böen fühlten sich an, als bissen sie mit scharfen Zähnen zu. Er zog die Tür des Streifenwagens auf, schlüpfte auf den Fahrersitz, wischte sich den Sand aus den Haaren und ließ den Motor an. Es dauerte eine Weile, bis die Wischblätter die Windschutzscheibe einigermaßen frei gefegt hatten. Dann schaltete er die Sirene und das Blaulicht ein, lenkte den Wagen langsam die Hauptstraße hinunter und gab – schön langsam und deutlich – über den Lautsprecher zwischendurch seine Warnmeldung durch.
»Dies ist eine Durchsage des Sheriffsbüros. Für die gesamte Cry County wurde eine Tornadowarnung ausgegeben. Alle Bürger werden aufgefordert, unverzüglich in Kellerräumen oder Räumen mit betonverstärkten Wänden Schutz zu suchen. Halten Sie sich nicht in der Nähe von Fenstern oder Türen auf! Ich wiederhole: Für die gesamte Cry County wurde eine Tornadowarnung ausgegeben…«
Als die letzten Häuser der Stadt hinter ihm lagen, hielt er an und blickte unschlüssig auf die halb unter Staub begrabene Asphaltstraße. Die wenigen Farmen, die er ausmachen konnte, waren offenbar schon auf das Schlimmste vorbereitet. Nirgendwo rührte sich etwas, alle Gebäude lagen wie ausgestorben da. Die Farmer hatten sicher den ganzen Tag am Radio gehangen und die Fenster und Türen mit Holzbohlen verstärkt. Farmer wissen, was bei drohenden Unwettern zu tun ist: das Vieh – vor allem die Jungtiere – in sichere Unterstände treiben, ausreichend Futter ausbringen und Notaggregate bereithalten für den Fall, dass die Strom- und Wasserversorgung ausfiel.
Nein, um die Farmer musste er sich keine Sorgen machen. Probleme waren eher von den ahnungslosen, zu Leichtsinn neigenden Stadtbewohnern zu erwarten.
Tads Blick folgte dem Verlauf der Straße, bis sie mit demHorizont verschmolz. Der Himmel über ihm sah kohlrabenschwarz aus – und auf seltsame Weise unheilvoller als sonst. Die Sonne musste längst untergegangen sein, und wenn noch ein Rest Tageslicht geblieben war, hatte der Sturm es verschluckt. Südwestlich von ihm flackerte tiefrotes Licht am Himmel, aber es sah mehr wie gespenstisches Geschützfeuer aus als nach zuckenden Blitzen. Dabei waren es tatsächlich die Vorboten des Tornados. In der Cry County zogen Tornados fast immer von Südwesten nach Nordosten. Wegen des undurchdringlichen Dunkels konnten die Leute nicht abschätzen, wie nahe der Tornado schon war. Erst wenn sie ihn hörten, würden sie merken, dass er bereits über sie hergefallen war. Tad wendete den Streifenwagen und fuhr Richtung Stadt zurück. Aus den Fensters des
Maisie’s
fiel unbekümmertes, fast fröhliches Gelb. Der Deputy stellte den Streifenwagen vor dem Lokal ab, schlug den Kragen hoch, huschte geduckt durch die Tür und ließ den Blick über die Gäste schweifen.
Die Reporter und ihre Kamerateams hatten sich bereits in ihre Unterkünfte verkrochen. An den Tischen saßen die Stammgäste aus der Stadt, darunter Melton Rasmussen, Swede Cahill samt seiner Frau und Art Ridder. Merkwürdig, dass Smit Ludwig fehlte, der war doch sonst jeden Abend da. Vielleicht war er unterwegs, um eigenhändig ein paar Fakten über die Sturmfront zu sammeln, aus denen er dann seine Story für die nächste Ausgabe des
Cry County Courier
basteln konnte. Was allerdings ziemlich leichtsinnig von ihm war.
Tad spürte, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren. Die Gäste hatten begriffen, dass er nicht nur auf einen Kaffee gekommen war. Er räusperte sich.
»Tut mir Leid, Leute, für die gesamte County wurde Tornadowarnung gegeben, Warnstufe zwei bis drei. Besser, ihr geht nach Hause und bringt euch in Sicherheit.«
Alle starrten ihn stumm an. Und schließlich platzte Rasmussen heraus: »Gibt’s Neuigkeiten über die Morde?«
Eine Frage, die alle
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