Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens
brennend zu interessieren schien. Auf Tad wirkte sie eher verblüffend. Selbst jetzt, nachdem er sie über die Tornadowarnung unterrichtet hatte, waren die Morde für sie das Thema Nummer eins. Deshalb hatten sie sich hier im
Maisie’s
versammelt. Genauso, wie er es vor einiger Zeit bei einer Kuhherde beobachtet hatte, erinnerte sich Tad: Da hatten sich die verängstigten Tiere auch dicht zusammengedrängt.
»Nun, wir haben…« Er verstummte abrupt, weil ihm klar wurde, dass der Sheriff ihm die Hölle heiß machen würde, wenn er hier im Lokal etwas über die bevorstehende Polizeiaktion verlauten ließ.
»Wir verfolgen ein paar vielversprechende Spuren«, versuchte er sich aus der Affäre zu ziehen, wobei er selbst merkte, wie lau sich das anhörte.
Mel kam mit hochrotem Gesicht auf die Beine. »Oh Mann, denselben gottverdammten Blödsinn hast du schon vor einer Woche verzapft, Tad!«
»Reg dich ab, Mel!«, sagte Swede Cahill. »Tad will uns zu verstehen geben, dass sie jetzt bessere Spuren haben.«
Art Ridder, der am Tresen einen Kaffee schlürfte, fuhr wütend herum und musterte den Deputy finster. »Der Sheriff behauptet, er hätte einen Plan, wie er den Mörder erwischen und so das Versuchsfeld wieder nach Medicine Creek zurückholen kann. Ich will jetzt endlich wissen, was für ein Plan das ist. Oder ist das Ganze nur Schall und Rauch?«
»Ich bin nicht berechtigt, öffentlich über Sheriff Hazens Pläne zu diskutieren«, wehrte sich Tad. »Im Übrigen haben wir jetzt, nachdem die Tornadowarnung ausgegeben wurde, wahrhaftig andere Sorgen…«
»Zum Teufel mit der Warnung!«, fiel ihm Ridder ins Wort.
»Ich will endlich sehen, dass sich im Zusammenhang mit den verdammten Serienmorden irgendetwas tut!«
Tad schluckte. »Sheriff Hazen ist ein gutes Stück weitergekommen.«
»Ach, wirklich? Wo steckt er überhaupt? Ich hab den ganzen Tag nichts von ihm gesehen.«
»Er war in Deeper. Ist dort einer Spur nachgegangen.«
Plötzlich flogen die Flügeltüren auf, die vom Lokal zur Küche führten, und Maisie baute sich wie ein leibhaftiger Racheengel vor Ridder auf. »Du hältst jetzt die Klappe, Art! Lass Tad in Ruhe, er tut nur seine Pflicht!«
»Schau mal, Maisie…«
»Nichts da ›Schau mal, Maisie‹! Ich kenn dich, Art Ridder, du polterst einfach ohne Sinn und Verstand drauflos. Das kannst du halten, wie du willst, aber nicht in meinem Lokal. Und du, Mel, hältst dich gefälligst auch zurück!«
Allgemeines betroffenes Schweigen.
»Wir haben Tornadowarnung«, fuhr Maisie fort. »Ihr wisst alle, was das bedeutet. Ich gebe euch fünf Minuten, dann seid ihr verschwunden, weil ich nämlich die Rollläden runterlasse und mich im Keller in Sicherheit bringe. Falls ihr nicht die Absicht habt, euch ab morgen die Welt von oben anzusehen, von irgendeiner Wolke, kann ich euch nur raten, es genauso zu machen.« Sie drehte sich um und war mit zwei, drei energischen Schritten in der Küche verschwunden.
Tad nutzte das Schweigen, um allen noch einmal gut zuzureden. »Also Leute, seid vernünftig, sucht euch einen sicheren Unterschlupf! Geht in den Keller oder sucht euch einen schweren Tisch als Deckung! Haltet eine Taschenlampe und ein batteriebetriebenes Radio bereit! Dem Wortlaut nach gilt die Tornadowarnung bis Mitternacht, aber vielleicht ist der Spuk dann noch nicht vorbei, und ohne Radio erfahrt ihr nicht, was draußen los ist.«
Als alle das Lokal verlassen hatten, ging Tad in die Küche, um nach Maisie zu sehen und ihr für ihre Unterstützung zu danken. Wobei er freilich nicht mehr als ein ziemlich linkisch gemurmeltes »Danke« herausbrachte.
Maisie winkte ab. Und dann sah sie ihn merkwürdig besorgt an. »Ich weiß, es ist vielleicht nicht der richtige Moment, aberSmit Ludwig hat sich den ganzen Tag nicht blicken lassen. Er war weder zum Frühstück da noch zum Lunch.«
»Ach ja? Ich hab mich auch schon gewundert.«
»Einer von den Reportern hat gestern Nacht hier auf ihn gewartet, bis ich zugemacht habe. Gewöhnlich sagt Smit Bescheid, wenn er auswärts zu tun hat. Ich hab versucht, ihn anzurufen, zu Hause und im Redaktionsbüro, aber er meldet sich nicht.«
»Ich seh mal nach, was los ist.«
»Danke. Wahrscheinlich steckt nichts dahinter.«
Tad war kaum im Sheriffsbüro angekommen, als sich über Funk der Kollege vom Anrufbeantwortungsdienst meldete. Eine Mrs. Fernald Higgs hatte vergeblich versucht, das Sheriffsbüro in Medicine Creek zu erreichen. Wie in solchen Fällen üblich, war
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