Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens
der Anruf automatisch umgeleitet worden. Ihr Junge hatte in seinem Zimmer ein Monster gesehen. Als er laut geschrien und das Licht angeknipst hatte, war das Monster weggerannt. Er habe einen hysterischen Anfall bekommen, behauptete Mrs. Higgs. Und sie selbst auch.
Tad hörte sich die Nachricht bis zum Ende an, dann runzelte er skeptisch die Stirn. »Ich vermute, da hat Ihnen jemand einen Bären aufgebunden.«
Vermutungen interessierten den Mann vom Telefondienst nicht, er hatte lediglich den Inhalt weiterzugeben. Entsprechend lakonisch fiel sein Kommentar aus. »Sie verlangt, dass der Sheriff sofort zu ihr nach Hause kommt.«
Tad stöhnte gequält. »Oh Mann, bei uns treibt sich ein Serienmörder herum, und zusätzlich rasen ein paar Tornados auf uns zu. Wollen Sie wirklich, dass ich mir die Nacht um die Ohren schlage, um nach einem Monster zu suchen?«
»Das müssen
Sie
entscheiden«, sagte der Mann vom Telefondienst ungerührt. »Ich tue nur meinen Job. Übrigens behauptet Mrs. Higgs, das Monster habe eine Fußspur hinterlassen.«
Tad war alarmiert. Die Uhr zeigte halb neun! Bis zu den Higgs und zurück brauchte er mindestens zwanzig Minuten.
»Also gut«, sagte er, »ich überprüfe das.«
51
Als Tad bei den Higgs eintraf, hatte sich die dreiköpfige Familie vollständig, wenn auch keineswegs einmütig in der Küche versammelt.
Vater Higgs war gerade erst nach Hause gekommen, er hatte, wie sich’s für einen guten Farmer gehört, noch nach dem Vieh gesehen. Und was musste er sich als Erstes anhören? Dass angeblich ein Monster ins Kinderzimmer eingedrungen war! Und seine Frau hatte doch tatsächlich die Notrufnummer angerufen! Im ersten Zorn hatte er dem Filius ein paar Ohrfeigen verpasst, und nun saß er mit grimmiger Miene am Küchentisch und nagte an einer Portion Bratkartoffeln und seiner Wut über die überstürzte Reaktion seiner Frau herum. »Vergessen Sie die dämliche Monstergeschichte!«, begrüßte er den Deputy, »Es tut mir Leid, dass Sie sich deswegen herbemüht haben.«
Mrs. Higgs wieselte, die Lippen zu einem Strich zusammengepresst, geschäftig in der Küche hin und her, womit sie offenbar demonstrieren wollte, dass sie die Sache ganz anders sah als ihr Mann.
Tad nahm den breitkrempigen Hut ab und ging neben dem Jungen in die Hocke. »Alles in Ordnung, Hillis?«
Der Junge, ein hübsches Bürschchen mit blondem Haar und blauen Augen, nickte stumm. Aber das flammende Rot auf seinen Wangen strafte ihn Lügen.
»Hillis«, ermahnte der Farmer seinen Sohn, »ich will kein Wort mehr über Monster hören!« Und zu seiner Frau gewandt:»Renn gefälligst nicht wie ein aufgescheuchtes Huhn hin und her!«
Mrs. Higgs setzte sich, war aber sofort wieder auf den Beinen.
»Möchten Sie vielleicht einen Becher Kaffee, Deputy?«
»Nein danke, Ma’am.« Tad sah den Jungen eindringlich an und fragte ihn leise: »Was hast du gesehen?«
»Fang ja nicht wieder mit dem Monster an!«, warnte ihn sein Vater.
»Aber ich hab’s doch gesehen!«, brachte der Junge trotzig heraus.
Tad drehte sich zu Mrs. Higgs um. »Wären Sie wohl so freundlich, mir die Fußspur zu zeigen, Ma’am?«
Higgs warf seiner Frau einen finsteren Blick zu. Sie zögerte unschlüssig, dann gab sie sich einen Ruck, führte Tad ins Kinderzimmer und deutete auf das Fenster.
»Ich weiß genau, dass ich das Fenster zugemacht habe, als ich Hillis ins Bett gebracht habe. Als er dann geschrien hat und ich rüber ins Kinderzimmer gerannt bin, war es hochgeschoben. Und dann habe ich draußen im Blumenbeet die Fußspur gesehen.«
»Was soll der Quatsch, nachts den Sheriff zu holen, bloß weil der Bengel irgendwelchen Unsinn geträumt hat!«, mischte sich der Farmer laut aus der Küche ein.
Tad schob das Fenster hoch. Augenblicklich fegte ein garstiger Windstoß ins Zimmer und zauste die flatternden Gardinen. Tad beugte sich aus dem Fenster. Im schwachen Licht, das aus dem Zimmer nach draußen fiel, konnte er ein gepflegtes, mit Zinnien bepflanztes Beet ausmachen. Einige Pflanzen sahen aus, als wäre jemand durch das Blumenbeet getrampelt. Möglich, dass auch eine Fußspur zu sehen war, aber ganz sicher war er sich nicht.
Er erinnerte sich an die Seitentür, an der er auf dem Weg zum Kinderzimmer vorbeigekommen war, entriegelte sie und stiefelte gegen den Wind gestemmt ums Haus herum, bis er unter dem Kinderzimmerfenster stand. Er richtete die Taschenlampeauf das Blumenbeet. Der Fußabdruck – wenn’s denn einer war – kam ihm etwas
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