Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens
es in Medicine Creek zu sehen gibt.« Pendergast schien ihr gar nicht zuzuhören. »Ich könnte Ihnen höchstens die Hügel zeigen«, fiel ihr ein.
»Welche Hügel?«
»Die indianischen Grabhügel unten am Bach. Die einzige lohnende Sehenswürdigkeit in der ganzen County. Sie haben bestimmt schon davon gehört. Der Fluch der Fünfundvierzig und der ganze Quatsch.«
Pendergast überlegte einen Moment, dann meinte er: »Sehen wir uns die Hügel lieber ein andermal an. Fürs Erste wäre es mir lieber, wenn wir kehrtmachen und noch einmal durch die Stadt fahren. Möglichst langsam, damit mir nichts entgeht.«
»Ich glaube, das sollten wir lieber lassen. Der Sheriff hat’s nicht gern, wenn jemand unnötig durch die Stadt kurvt.«
Pendergast schloss die Augen. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie es mir überlassen sollen, eventuelle Probleme mit dem Sheriff zu klären.«
»Okay, Sie sind der Boss!« Corrie ordnete sich auf der rechten Spur ein, beschrieb beim Abbiegen einen mustergültigen rechten Winkel und lenkte den Gremlin im Schneckentempo durch Medicine Creek.
»Links sehen Sie die
Wagon Wheel Tavern.
Gehört Swede Cahill. Ein richtig netter Kerl, keiner von denen, die einen übers Ohr hauen. Seine Tochter geht in dieselbe Klasse wie ich. Ein Barbiepüppchen, wenn Sie mich fragen. In die Pinte geht man, wenn man sich einen hinter die Binde gießen will, zu mampfen gibt’s da nicht viel, nur Slim Jims, Erdnüsse und Mixed Pickles aus dem großen Glas. Ach ja – und Schokolade-Eclairs. Von denen schwärmen alle.«
Pendergast saß reglos in seinem unbequemen, nach hinten durchhängenden Sitz.
»Gucken Sie mal da rüber – sehen Sie die Lady mit dem hochgesteckten Haardutt? Sieht aus wie Frankensteins Braut, finden Sie nicht? Das ist Klick, die Frau von Melton Rasmussen, dem der hiesige Textilladen gehört. Sie kommt wahrscheinlich gerade vom Lunch im
Castle Club.
Ich wette, sie trägt in ihrem Beutel die Roastbeefreste heim, für ihren Hund Peach. In
Maisie’s Diner
setzt sie keinen Fuß, weil Maisie mal die Freundin von ihrem Mann war. Bloß, das muss eine Ewigkeit her sein, damals war Melton noch gar nicht ihr Mann. Und davon, was er mit der Frau des Sportlehrers treibt, hat Klick bis jetzt noch nichts mitgekriegt.«
Pendergast verzichtete auf einen Kommentar.
»Ah – und noch so eine alte Schachtel! Die gerade mit dem Nudelholz aus dem Coast-to-Coast-Markt kommt, das ist Mrs. Bender Lang. Vor gut dreißig Jahren ist ihnen das Haus über dem Kopf abgebrannt, ihr Vater ist dabei ums Leben gekommen. Man hat nie rausgefunden, wer da gezündelt hat – und warum.« Corrie zuckte die Achseln. »Manche wollen wissen, dass es der alte Gregory Flatt war. Bei dem war eine Schraube locker, das wussten alle. Hatte sich um den Verstand gesoffen. Eines Tages ist er einfach verschwunden. Jemand hat noch gesehen, wie er ins Maisfeld spaziert ist. Ist nie wieder aufgetaucht, und seine Leiche wurde auch nicht gefunden. Er hatte immer was von UFOs und Außerirdischen gefaselt. Also, ich persönlich glaube, dass die ihm den Gefallen getan und ihn entführt haben. In der Nacht, in der er verschwunden ist, wollen ein paar Leute komische Lichter am nördlichen Himmel gesehen haben.« Sie lachte spöttisch.
»Wir leben eben in einer typischen amerikanischen Kleinstadt, bei uns hat fast jeder seine Leiche im Keller.«
Die Bemerkung schien Pendergast wachzurütteln, er schlug zumindest die Augen auf und sah Corrie skeptisch an.
»Das können Sie mir ruhig glauben. Sogar die verschrobenealte Winifred Kraus, bei der Sie wohnen, hat Dreck am Stecken – da kann sie noch so lammfromm tun. Ihr Vater, der Moralapostel, hat gepanschten Fusel geschmuggelt. Und was die kreuzbrave Winifred angeht, die soll als Teenager recht locker gewesen sein.«
Pendergast sah sie verdutzt an.
Corrie kicherte leise in sich hinein. »Oh ja, in Medicine Creek ist schwer was los. Wenn zum Beispiel Dale Estrem dahinter kommt, wie wild es seine Frau Vera mit dem Metzger aus Deeper treibt, gibt’s garantiert ein Blutbad. Dale ist Vorsitzender der Farmergenossenschaft – und der brutalste Kerl in der ganzen Stadt. Sein Großvater kam aus Deutschland, und im Zweiten Weltkrieg hatte er’s sehr eilig, dorthin zurückzukehren und für die Nazis zu kämpfen. Sie können sich vorstellen, was das für ein Gerede gab! Lässt einfach seine Familie im Stich! Na ja, er war wenigstens so schlau, sich nie wieder hier blicken zu lassen.«
Pendergast nickte.
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