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Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd

Titel: Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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Gefängnis löste und lange vergessene Wege der Erinnerung einschlug.
    Diamanten. Immer begann es mit Diamanten. Er lag in den Armen seiner Mutter, Diamanten glitzerten an ihrer Kehle, hingen von ihren Ohren, blitzten an ihren Fingern. Ihre Stimme war wie ein Diamant, rein und kühl, und sie sang ihm ein französisches Lied vor. Er war kaum zwei Jahre alt, aber trotzdem weinte er, nicht aus Kummer, sondern wegen der schmerzlichen Schönheit der Stimme seiner Mutter. Unwillkürlich lenkt mich die verführerische Meisterschaft / des Liedes zurück, bis mein Herz danach weint …
    Die Szene verblasste.
    Nun wanderte er durch das riesige Haus an der Dauphine Street, durch lange Korridore und an geheimnisvollen Räumen vorbei, von denen viele schon damals nicht mehr benutzt wurden. Aber wenn man eine Tür öffnete, konnte man immer sicher sein, etwas Aufregendes dahinter zu finden, wunderbare und seltsame Dinge: ein gewaltiges Bett mit Baldachin, nachgedunkelte Bilder von weiß gekleideten Frauen und Männern mit toten Augen, exotische Objekte aus fernen Ländern – aus Knochen gefertigte Panflöten, eine in Silber eingefasste Affenpfote, ein spanischer Steigbügel aus Messing, ein zähnefletschender Jaguarkopf, der umwickelte Fuß einer ägyptischen Mumie.
    Und immer war da seine Mutter, zu der er fliehen konnte, seine Mutter mit ihrer Wärme, der weichen Stimme und ihren Diamanten, die glitzerten, wenn sie sich bewegte, das Licht einfingen und plötzlich in Regenbogenfarben erstrahlten. Die Diamanten waren da, sie waren lebendig, sie veränderten sich nie, verblassten nie, starben nie. Sie würden bleiben, schön und dauerhaft, für alle Zeit.
    Wie anders als die flüchtige Vergänglichkeit des Fleisches.
    Diogenes verstand, warum Nero die Feuersbrunst durch einen Edelstein betrachtet hatte, als Rom in Flammen aufging. Nero wusste um die transformatorische Kraft der Edelsteine. Ihm war bewusst, dass es die Welt und einen selbst verwandelte, wenn man sie durch einen solchen Stein betrachtete. Licht war Schwingung, und die Schwingungen, die von einem Diamanten ausgingen, erreichten die tiefsten Schichten des Geistes. Die meisten Menschen konnten sie nicht hören; vielleicht konnte niemand sonst auf der Welt sie hören. Aber er konnte es. Die Edelsteine sprachen zu ihm, flüsterten ihm etwas zu, gaben ihm Kraft und Weisheit. Heute würden die Diamanten, nicht die Karten, ihm die Zukunft deuten.
    Diogenes schaute tief in den blauen Diamanten hinein. Jeder Edelstein hatte eine andere Stimme, und diesen Stein hatte er wegen seiner besonderen Weisheit ausgewählt. Er wartete, raunte dem Edelstein etwas zu, beschwor ihn zu sprechen. Und nach einem Moment des Wartens tat er es. Als Antwort auf Diogenes’ gemurmelte Frage kam eine gewisperte Antwort wie das Echo eines Echos, halb gehört in einem wachenden Traum.
    Es war eine befriedigende Antwort.
     
    Viola Maskelene lauschte auf das seltsame Gemurmel aus dem Erdgeschoss. Es klang fast wie ein Gebet oder Psalmodieren und war so leise, dass sie kein Wort verstand. Darauf folgte eine zermürbende halbe Stunde Stille. Dann endlich hörte sie das, wovor sie sich gefürchtet hatte: Ein Stuhl wurde zurückgeschoben, die langsamen, festen Schritte eines Mannes kamen die Treppe herauf. All ihre Sinne waren aufs Äußerste angespannt, ihre Muskeln zitterten, bereit zum Handeln.
    Ein höfliches Klopfen an der Tür.
    Sie wartete.
    »Viola? Ich würde gern hereinkommen. Bitte treten Sie um das Bett herum auf die andere Seite des Raums.«
    Sie zögerte und tat dann, wie ihr geheißen worden war. Er hatte gesagt, er würde sie bei Sonnenaufgang umbringen. Aber er hatte es nicht getan. Die Sonne war bereits wieder untergegangen, die Nacht brach herein. Etwas war passiert. Seine Pläne hatten sich geändert. Oder wahrscheinlicher, sie waren geändert worden, gegen seinen Willen.
    Die Tür ging auf, und sie sah Diogenes im Türrahmen stehen. Er wirkte verändert – irgendwie zerzaust. Sein Gesicht war fleckig, die Krawatte schief, das kupferrote Haar leicht wirr.
    »Was wollen Sie?«, fragte sie heiser.
    Er schaute sie unverwandt an. »Langsam verstehe ich, was mein Bruder an Ihnen so faszinierend findet. Natürlich sind Sie schön und intelligent und haben Biss. Aber Sie besitzen eine Eigenschaft, die mich wirklich überrascht: Sie haben keine Angst.«
    Sie würdigte ihn keiner Antwort.
    »Obwohl Sie Angst haben sollten.«
    »Sie sind verrückt.«
    »Dann bin ich wie Gott. Denn wenn es

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