Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit
Stunden vor der Gala-Eröffnung wimmelte es im Grab des Senef wie in einem Nest wütender Hornissen. Und der Schwarm bestand nicht mehr nur einfach aus Kuratoren, Elektrikern, Tischlern und Technikern, nein, ein neues Element war zu der Mischung hinzugekommen. Während Nora durch den
Zweiten Reiseabschnitt des Gottes
zur Halle der Streitwagen ging, empfing sie das grelle Licht von Fernsehscheinwerfern und eine kleine Gruppe von Männern, die am gegenüberliegenden Ende Kameras und Mikrofone aufstellten.
»Da drüben, mein Lieber, da
drüben!
«
An der einen Seite der Gruppe stand ein schlanker junger Mann mit zusammengekniffenen Gesäßbacken, der ein Sportsakko aus Kamelhaar und eine gelbe gepunktete Fliege trug und mit ausladenden Gesten einem stämmigen Tontechniker zuwinkte. Das musste der Regisseur Randall Loftus sein, den Menzies ihr gegenüber kürzlich erwähnt hatte. Er hatte bei der Kritik für seine Dokumentarreihe
Der letzte Cowboy auf Erden
großes Lob geerntet und seither eine Reihe von preisgekrönten Dokumentarfilmen für öffentliche Fernsehsender produziert. Als sie näher kam, schwoll das Stimmengewirr noch mehr an.
»Eins, zwei. Eins, zwei …«
»O nein! Das ist hier ja eine Akustik wie in einer Scheune!«
Loftus und seine Crew bauten den Set für die Übertragung der feierlichen Eröffnung auf. Der lokale Sender des Netzwerks PBS hatte vor, live davon zu berichten, und man hatte eifrig die Werbetrommel gerührt, damit die Übertragung nicht nur von den meisten Partnersendern in den USA, sondern auch von der BBC und anderen europäischen Sendern übernommen wurde. Diesen PR-Coup hatte Menzies persönlich unter großen Anstrengungen eingefädelt. Die daraus resultierendeinternationale Aufmerksamkeit könnte einiges dazu beitragen, dass das Museum mit heiler Haut davonkam. Im Augenblick stifteten die TV-Leute allerdings ein heilloses Chaos – und das zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt. Überall auf dem Boden lagen Kabel herum und brachten Noras Assistenten ins Straucheln, die die unbezahlbaren ägyptischen Antiquitäten trugen. Und die gleißend hellen Scheinwerfer steigerten nur noch die Wärme, die die heiß laufende Elektronik und die Dutzende hektischer Leute erzeugten, die in einer Art kontrollierter Panik umherschwirrten. Die Klimaanlage röhrte und mühte sich vergeblich, die Temperatur im Ausstellungsraum zu verringern.
»Ich will zwei Sechs-Zoll-Mole-Babys, mit je einem Kilowatt Leistung in der Ecke, da«, sagte Loftus. »Kann mal jemand den Krug da wegschieben?«
Er drehte sich um und blinzelte Nora über seine John-Mitchell-Brille an. »Ja?«
Sie streckte ihm mutig die Hand entgegen. »Ich bin Dr. Kelly, die Kuratorin der Ausstellung.«
»Oh! Natürlich. Randall Loftus. Freut mich.« Er kehrte ihr den Rücken zu.
»Entschuldigen Sie, Mr. Loftus. Sie haben da eben etwas erwähnt – dass Sie einen Krug versetzen wollen. Sie verstehen doch sicherlich, dass nichts bewegt werden darf – nicht einmal angefasst –, außer vom Museumspersonal.«
»Nichts bewegt? Wie soll ich dann den Set einrichten?«
»Indem Sie einfach um die Gegenstände herum arbeiten, fürchte ich.«
»Um die Sachen
herum
arbeiten! Man hat mich noch nie aufgefordert, unter solchen Bedingungen zu drehen. Das Grab ist ja die reinste Zwangsjacke. Da bekomme ich weder günstige Winkel hin noch gute Entfernungen. Liebe Frau, so geht das nicht.«
Nora schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. »Bei Ihren Talenten finden Sie bestimmt einen Weg, dass alles hinhaut.« Das Lächeln bewirkte zwar gar nichts, aber bei dem Wort
Talenten
spitzte Loftus die Ohren. »Ich bewundere Ihre Arbeit«, fuhr Nora fort, die hoffte, auf diese Weise an Loftus ranzukommen.
»Ich persönlich bin begeistert, dass Sie zugestimmt haben, bei unserer Show Regie zu führen. Und ich weiß, wenn jemand das alles schaffen kann, dann Sie!«
Loftus strich sich über die Fliege. »Vielen Dank. Mit Schmeicheleien kann man immer bei mir landen.«
»Ich wollte mich vorstellen und mal sehen, ob ich Ihnen irgendwie helfen kann.«
Loftus drehte sich abrupt um und rief jemandem etwas zu, der in einer dunklen Ecke auf einer Leiter schwankte. »Nicht den, den
anderen
Scheinwerfer, das LTM-Pepper-Spotlight! Ich will, dass er an dem Deckenhalter da auf einem Drei-Sechziger montiert wird.«
Er wandte sich wieder Nora zu. »Sie sind ein Schatz, aber wir
müssen
den Krug einfach versetzen.«
»Tut mir leid«, sagte Nora. »Wir haben keine Zeit mehr,
Weitere Kostenlose Bücher