Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten
Glastür, ging in sein Büro, kam mit einem Packen zurück, blickte die extrem hohe Wand mit den Sargfächern hinauf und bewegte die Lippen, als zähle er. Nach einem Moment hielt er inne.
»Ah, da haben wir ihn ja. Colin Fearing.« Er zeigte auf eines der beschrifteten Sargfächer, das niedrig lag, dann trat er, die Grimasse eines Lächelns im Gesicht, einen Schritt zurück.
»Mr. Lille?«, sagte D’Agosta. »Der Schlüssel?«
»Schlüssel?« Ein panischer Ausdruck trat in Lilles Gesichtszüge. »Sie wollen, dass ich das Grabfach
öffne?
«
»Darum geht es doch bei einer Exhumierung, oder?«
»Aber so verstehen Sie doch, dazu bin ich nicht befugt. Ich bin hier nur der Verkaufsrepräsentant.«
D’Agosta atmete aus. »Die Dokumente befinden sich in dem Kuvert. Sie müssen nur die erste Seite unterschreiben – und uns den Schlüssel aushändigen.«
Lille senkte den Blick und betrachtete den braunen Umschlag, den er in Händen hielt, als sähe er ihn zum ersten Mal.
»Aber dazu bin ich nicht befugt. Ich werde Mr. Radcliffe anrufen müssen.«
D’Agosta verdrehte die Augen.
Lille ging in sein Büro zurück, ließ die Tür jedoch offen. D’Agosta lauschte. Das Gespräch begann leise, aber bald hallte Lilles schrille Stimme durch das Mausoleum. Mr. Radcliffe erwies sich offenbar als nicht besonders kooperativ.
Lille kam wieder heraus. »Mr. Radcliffe kommt hierher.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Eine Stunde.«
»Vergessen Sie’s. Ich habe Radcliffe die Angelegenheit bereits erklärt. Öffnen Sie das Sargfach. Sofort.«
Lille wrang die Hände, seine Gesichtszüge verzerrten sich. »Oje, ich … darf das einfach nicht.«
»Das da in Ihrer Hand ist ein richterlicher Befehl, mein Freund, nicht irgendein Antrag auf Genehmigung. Wenn Sie das Sargfach nicht öffnen, zeige ich Sie wegen Behinderung eines Staatsbeamten bei der Durchführung seiner Pflichten an.«
»Aber dann wirft mich Mr. Radcliffe raus!«, jammerte Lille.
Pendergast drehte sich um. Er hatte seine kleine Entdeckungstour beendet und schlenderte gemächlich auf D’Agosta und Lille zu. Er stellte sich vor Fearings Sargfach und las laut vor: »
Colin Fearing, Alter 38
. Traurig, so jung zu sterben, finden Sie nicht, Mr. Lille?«
Lille hatte ihn offenbar nicht gehört. Pendergast legte die Hand auf den Marmor, als wollte er ihn streicheln. »Sie sagten, niemand sei zur Beisetzung gekommen?«
»Nur die Schwester.«
»Wie traurig. Und wer hat die Beisetzung bezahlt?«
»Ich … ich bin mir nicht sicher. Die Schwester hat die Rechnung beglichen, aus dem Vermögen der Mutter, glaube ich.«
»Aber die Mutter ist
non compos mentis
.« Pendergast wandte sich zu D’Agosta um. »Ich frage mich, ob die Schwester wohl eine Vollmacht besaß. Es lohnt, das mal zu überprüfen.«
»Gute Idee.«
Wieder strich Pendergast über den Marmor und schob eine kleine Abdeckplatte zur Seite, wodurch ein Schloss zum Vorschein kam. Mit der anderen Hand griff er in seine Brusttasche und zog einen kleinen Gegenstand hervor, der einem Kamm mit nur wenigen kurzen Zinken an einem Ende glich. Er schob den Gegenstand ins Schloss und wackelte ein wenig damit.
»Entschuldigen Sie, was machen Sie denn da …?«, begann Lille, der jedoch verstummte, als die Tür des Sargfachs lautlos in den geölten Angeln aufschwang. »Nein, warten Sie, das dürfen Sie nicht …«
Die Mitarbeiter der Rechtsmedizin schoben die Rollbahre nach vorn und hoben sie mit einem kleinen Ruck auf die Ebene des Sargfachs. In Pendergasts Hand erschien eine kleine Taschenlampe, mit der er in das dunkle Innere leuchtete.
Kurzes Schweigen. Dann sagte Pendergast: »Ich glaube, wir werden die Trage nicht brauchen.«
Die beiden Mitarbeiter hielten inne, unsicher.
Pendergast richtete sich auf und drehte sich zu Lille um. »Können Sie mir bitte sagen, wer die Schlüssel zu diesen Sargfächern verwahrt?«
»Die Schlüssel?« Der Mann zitterte wie Espenlaub. »Ich.«
»Und wo?«
»Ich bewahre sie verschlossen in meinem Büro auf.«
»Und der zweite Satz?«
»Den verwahrt Mr. Radcliffe außerhalb des Friedhofs. Wo, weiß ich nicht.«
»Vincent?« Pendergast trat einen Schritt zurück und deutete auf das offene Sargfach.
D’Agosta trat vor, spähte hinein und folgte mit dem Blick dem schmalen Lichtstrahl der Taschenlampe.
»Das verdammte Ding ist leer!«
»Das kann nicht sein«, sagte Lille mit zittriger Stimme. »Ich habe doch mit eigenen Augen gesehen, wie die Leiche da hineingeschoben
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