Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten
wurde …« Er stockte und griff sich an die Krawatte.
Der Mitarbeiter der Rechtsmedizin mit den karottenroten Haaren spähte hinein, um selbst nachzuschauen. »Ich glaub, mich laust der Affe.«
»Nicht
ganz
leer, Vincent.« Pendergast streifte einen Latexhandschuh über, griff in das Sargfach, zog behutsam einen Gegenstand heraus und zeigte ihn, auf der Handfläche liegend, den anderen. Es handelte sich um einen winzigen, grob gefertigten Sarg aus Pappmaché und Stoffresten, der Sargdeckel aus gefaltetem Papier stand offen. Im Sarg lag ein grinsendes Skelett, das aus kleinen, weiß angemalten Zahnstochern gebastelt worden war.
»Es hat eine Beisetzung stattgefunden – in gewisser Weise«, sagte Pendergast in seinem melodiösen Tonfall.
Ein Seufzen, gefolgt von einem leisen Geräusch, wie wenn etwas zu Boden fällt. D’Agosta drehte sich um. Maurice Lille war in Ohnmacht gefallen.
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16
Mitternacht. Nora Kelly schritt eilig durch das finstere Herz des Kellergeschosses des Museums. Leise klapperten ihre Absätze auf dem Fußboden aus poliertem Naturstein. Auf den Gängen herrschte das trübe Licht, das nach Dienstschluss eingeschaltet wurde, so dass es in den offenen Türrahmen dunkel war. Niemand war in der Nähe. Selbst die arbeitswütigsten Kuratoren waren schon vor Stunden nach Hause gegangen, und die Runden der meisten Wachleute führten nur durch jene Räume, die dem Publikum zugänglich waren.
Vor einer Tür aus Edelstahl mit der Aufschrift
PCR -Labor
blieb sie stehen. Wie sie gehofft hatte, war das kleine, mit Draht verstärkte Fenster in der Tür dunkel. Nora drehte sich zu dem Tastaturschloss um und tippte eine Nummernfolge ein. Ein kleines LED -Lämpchen in der Tastatur wechselte von Rot auf Grün.
Sie schob die Tür auf, schaltete das Licht ein, blieb stehen und sah sich um. Sie war erst ein paarmal in dem Labor gewesen, dann, wenn sie Proben zum Testen abgegeben hatte. Der Thermozyklierapparat für die Polymerase-Kettenreaktion stand, geschützt unter einer Plastikhaube, auf einem blitzblanken Tisch aus Nirostastahl. Nora trat einen Schritt vor, nahm die Plastikhaube ab, faltete sie zusammen und legte sie zur Seite. Das Gerät – ein Eppendorf Mastercycler 5330 – war zwar aus weißem Plastik gefertigt, das hässliche Low-Tech-Äußere strafte das höchst moderne Innenleben jedoch Lügen. Sie kramte in ihrer Handtasche und zog mehrere DIN -A4-Seiten heraus: die Bedienungsanleitung des Thermocyclers, die sie aus dem Internet heruntergeladen hatte.
Die Tür hatte sich automatisch hinter Nora geschlossen. Sie holte tief Luft, dann tastete sie hinter dem Gerät herum, fand schließlich den Ein-Schalter und drückte darauf. In der Bedienungsanleitung stand, dass das Gerät fünfzehn Minuten zum Aufwärmen brauchte.
Sie legte die Handtasche auf den Tisch, holte einen Styropor-Behälter hervor, nahm den Deckel ab und begann, die bleistiftdünnen Reagenzröhrchen behutsam herauszuziehen und in ein Rack zu stellen. Ein Reagenzröhrchen enthielt ein Stückchen Haar, ein anderes eine Faser, ein drittes ein Fitzelchen Papiertaschentuch, noch ein anderes gefriergetrocknete Blutpartikel. Pendergast hatte ihr das alles gegeben.
Sie strich sich über die Stirn und merkte, dass ihre Hand leicht zitterte. Sie versuchte, an nichts anderes als an die Arbeit zu denken. Sie musste weit vor Morgengrauen fertig sein und den Raum verlassen haben. Ihr Herz klopfte; sie war todmüde. Sie hatte nicht geschlafen, seit sie vor zwei Tagen nach Hause zurückgekehrt war. Aber ihre Wut und ihre Trauer gaben ihr Kraft und Energie, hielten sie in Schwung. Pendergast brauchte die Ergebnisse des DNA -Tests möglichst bald. Sie war dankbar für die Gelegenheit, nützlich zu sein – auf irgendeine Weise, wenn es denn half, Bills Mörder zu finden.
Aus dem Labor-Kühlschrank holte sie einen Streifen mit acht PCR -Reaktionsgefäßen, winzige, kugelförmige, verschlossene Plastikbehälter, die bereits mit Pufferlösung, Taq-Polymerase, dNTPs und anderen Reagenzien gefüllt waren. Mit äußerster Vorsicht übertrug sie mittels einer sterilisierten Pinzette winzige Proben des biologischen Materials aus ihren Reagenzröhrchen in die PCR -Reaktionsgefäße und verschloss diese rasch wieder. Als das Gerät durch ein kurzes Piepen anzeigte, dass es betriebsbereit war, hatte Nora 32 Reaktionsgefäße pipettiert: die Höchstmenge, die der PCR -Zyklierapparat in einem Durchlauf analysieren konnte.
Sie legte einige zusätzliche
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