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Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit

Titel: Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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zumindest habe ich es erraten – den Charakter Ihres Leidens. Aber ich habe aufgehört, daran zu denken, wie entsetzlich es wäre, es zu ertragen. Jedes Knarren, Klicken, Tropfen und Quietschen, das in Ihr Hirn eindringt. Das Singen der Vögel, die Helligkeit der Sonne, der Geruch des Rauchs … Gequält zu werden von jeder kleinen Empfindung, die von Ihren fünf Sinnen in Ihr Hirn getragen wird, damit leben zu müssen, in jeder Minute jeder Stunde jeden Tages überwältigt zu werden. Zu wissen, dass sich nichts dagegen tun lässt,
überhaupt nichts.
Sogar Ihr, äh, einzigartiges Verhältnis zu June Brodie kann Ihnen nichts bieten außer einer vorübergehenden Ablenkung.«
    »Ihr Mann hat sein bestes Stück während der Operation Desert Storm eingebüßt«, sagte Slade. »Weggepustet von einem improvisierten Sprengkörper. Ich bin eingesprungen, um die Lücke zu schließen, sozusagen.«
    »Wie schön für Sie«, sagte Pendergast.
    »Stecken Sie sich Ihre konventionelle Moral doch sonst wohin. Ich kann sie nicht brauchen. Wie auch immer, Sie haben ja gehört, was June gesagt hat.« Der irre Glanz in Slades Augen hatte ein wenig nachgelassen, jetzt wirkte er beinahe ernst. »Wir arbeiten an einem Heilmittel.«
    »Sie haben doch gesehen, was mit den Doanes passiert ist. Sie sind doch Biologe. Gehirnzellen können weder ersetzt noch gezüchtet werden. Der Schaden ist dauerhaft. Und das wissen Sie.«
    Slade schien wieder durchzudrehen, seine Lippen bewegten sich immer schneller, die Luft entwich seiner Lunge wie aus einem durchstochenen Reifen; immer wieder wiederholte er ein und dasselbe Wort. »Nein! Nein, nein, nein, nein.«
    Pendergast beobachtete ihn, schaukelte, bewegte die Snookerkugeln rasch in seiner Hand; das Klackern erfüllte die Luft. Die Uhr tickte, der Rauch kräuselte sich.
    »Der Eindruck hat sich mir förmlich aufgedrängt«, sagte Pendergast, »dass alles hier darauf abzielt, jeden äußeren Sinnesreiz zu entfernen. Teppichboden, schallisolierte Wände, neutrale Farben, schlichte Möbel, die Luft kühl, trocken und geruchlos, vermutlich gefiltert.«
    Slade wimmerte, seine Lippen verwischten sich förmlich, so manisch und fast stumm brabbelte er vor sich hin. Er hob die Peitsche und versetzte sich damit einen Schlag.
    »Und trotzdem, selbst mit dem Beruhigungsmittel, der Peitsche, den Medikamenten und den ständigen Morphiumgaben – es reicht alles nicht. Sie befinden sich noch immer in ständiger Agonie. Sie spüren Ihre Füße auf dem Boden, spüren Ihren Rücken am Stuhl, sehen alles in diesem Raum. Sie hören meine Stimme. Sie werden von tausend anderen Dingen bombardiert, die ich gar nicht alle aufzählen kann, weil mein Bewusstsein sie unbewusst herausfiltert. Sie hingegen können diese Dinge nicht ausschalten. Keines davon. Lauschen Sie den Snookerkugeln! Betrachten Sie den sich kräuselnden Rauch! Hören Sie das unerbittliche Verrinnen der Zeit.«
    Slade fing an, in seinem Stuhl zu zittern. Ein einziges, endloses Wort kam von seinen Lippen:
»Neinneinneinneinneinneinneeeiin!«
Aus seinem Mundwinkel rann ein wenig Sabber, den er mit einem heftigen Kopfrucken wegschleuderte.
    »Ich frage mich, wie es wohl ist zu essen?«, fuhr Pendergast fort. »Ich nehme an, furchtbar, der kräftige Geschmack der Speisen, die klebrige Textur, der Geruch und die Form der Speisen im Mund, das Hinabgleiten in die Speiseröhre … Ist das nicht der Grund, warum Sie so dünn sind? Kein Zweifel, Sie haben seit zehn Jahren keine Mahlzeit, keinen Drink mehr genossen – wirklich
genossen.
Der Geschmack ist nur eine weitere unerwünschte Sinnesempfindung, die Sie nicht loswerden können. Ich würde wetten, der Tropf enthält nicht nur Morphium, sondern dient auch der intravenösen Ernährung, stimmt’s?«
    Neinneinneinneinneinneinnein
 …
    Slade griff krampfartig nach der Peitsche, ließ sie wieder auf den Schreibtisch fallen. Die Schusswaffe zitterte in seiner Hand.
    »Der Geschmack wohlschmeckender Speisen – milder, reifer Camembert, Belugakaviar, geräucherter Stör, selbst von etwas so Schlichtem wie Spiegeleier auf Toast oder Marmelade – ist Ihnen unerträglich. Vielleicht wäre Babynahrung von der banalsten Sorte, ohne Zucker, ohne Gewürze oder Textur irgendeiner Art, serviert in Körpertemperatur, so gerade eben erträglich. Natürlich nur bei besonderen Anlässen.« Pendergast schüttelte teilnahmsvoll den Kopf. »Und Sie können auch nicht schlafen, nicht wahr? Nicht bei all den rasenden

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