Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
an.
Pendergast trat zu einer der Backsteinwände. »Vincent«, sagte er wieder in seinem normalen Tonfall, »wenn ich mich nicht sehr irre, liegt ungefähr vier Meter dahinter eine andere Wand, die von Arne Torgenssons Keller. Und dazwischen sollten wir den Abschnitt des alten Wasserrohrs finden, in dem der gute Doktor möglicherweise etwas versteckt hat.«
D’Agosta ließ die Werkzeugtasche zu Boden fallen. »Ich denk mal, wir haben zwei Minuten, maximum, bevor dieser Esel da oben seinen Chef anruft, und dann ist die Kacke am Dampfen.«
»Sie verwenden immer so bildhafte Ausdrücke«, murmelte Pendergast, untersuchte die Ziegelmauer mit seiner Lupe und klopfte mit einem Kugelhammer dagegen. »Ich glaube jedoch, ich kann uns ein wenig mehr Zeit erkaufen.«
»Ach ja? Und wie?«
»Ich werde unseren Freund, den Filialleiter, wohl leider darüber in Kenntnis setzen müssen, dass die Lage sogar noch ernster ist als ursprünglich angenommen. Der Laden muss für Kunden geschlossen bleiben, aber nicht nur das – die Angestellten müssen ebenfalls das Haus räumen, bis wir unsere Inspektion beendet haben.«
Pendergasts leichte Schritte treppauf verklangen rasch. D’Agosta wartete in der kühlen, trockenen Dunkelheit. Einen Augenblick später brach ein Tumult aus: Proteste, erhobene Stimmen. Der Lärm verstummte fast so rasch, wie er losgebrochen war. Pendergast tauchte wieder auf dem Treppenabsatz auf. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen und abgesperrt hatte, stieg er die Treppe hinunter und trat zu der Werkzeugtasche. Er griff hinein, zog einen Vorschlaghammer hervor und reichte ihn D’Agosta.
»Vincent«, sagte er mit dem geisterhaften Anflug eines Lächelns, »ich lasse Ihnen den Vortritt.«
36
Während D’Agosta den Vorschlaghammer in der Hand wog, inspizierte Pendergast das alte Mauerwerk, klopfte erst auf einen Stein, dann auf einen anderen, angestrengt lauschend. Die Beleuchtung war schummerig, und D’Agosta musste die Augen zusammenkneifen, um etwas erkennen zu können. Nach ein paar Augenblicken gab der FBI -Agent einen leisen, befriedigten Laut von sich und richtete sich wieder auf.
»Hier«, verkündete er und deutete auf einen Ziegelstein etwa in der Mitte der Wand.
D’Agosta kam herbei und schwang probehalber den Vorschlaghammer wie ein Schlagmann beim Baseball.
»Ich habe uns fünf Minuten erkauft«, sagte Pendergast. »Allerhöchstens zehn. Dann wird unser Freund, der Filialleiter, ohne Zweifel zurück sein. Diesmal möglicherweise in Gesellschaft.«
D’Agosta schlug mit dem Vorschlaghammer gegen die Wand. Zwar verfehlte er die angegebene Stelle um ein paar Ziegel, aber das Eisen traf die Mauer mit einer Wucht, die durch seine Hände und den Arm hochfuhr. Ein zweiter Schlag traf besser, der dritte ebenfalls. D’Agosta setzte den Vorschlaghammer ab, wischte sich die Hände an der Rückseite seiner Hose ab, fasste erneut zu und machte sich wieder an die Arbeit. Nach etwa einem Dutzend heftiger Schläge bedeutete Pendergast ihm mit einer Geste, er solle aufhören. Keuchend trat D’Agosta zurück.
Der FBI -Agent wedelte die Wolke von Zementstaub beiseite, ließ den Strahl einer Taschenlampe über die Wand gleiten und beklopfte wieder die Ziegel, einen nach dem anderen. »Sie lösen sich. Machen Sie weiter, Vincent.«
D’Agosta trat erneut vor und versetzte der Wand eine weitere Serie wuchtiger Schläge. Beim letzten Schlag hörte man etwas bröckeln, und einer der Backsteine zerbrach. Pendergast schoss vor, einen Kaltmeißel in einer Hand, einen Hammer in der anderen. Er betastete kurz die bröckelnde Mauer, setzte den Meißel an, hob den Hammer und griff mit ein paar wohlgesetzten Schlägen die umgebende Schicht aus Mörtel und altem Zement an. Weitere Ziegel wurden gelockert, andere löste Pendergast mit den Händen heraus. Er ließ Meißel und Hammer fallen und den Strahl der Taschenlampe über die Wand gleiten. Ein Loch, ungefähr so groß wie ein Beachball, war sichtbar geworden. Pendergast schob den Kopf hindurch und ließ die Taschenlampe hierhin und dorthin gleiten.
»Was sehen Sie?«, fragte D’Agosta.
Statt zu antworten, trat Pendergast zur Seite. »Noch ein paar, bitte«, sagte er und deutete auf den Vorschlaghammer.
Diesmal zielte D’Agosta mit seinen Schlägen auf die Ränder des ausgezackten Lochs, wobei er sich auf die obere Kante konzentrierte. Steine, Ziegelbruch und alter Mörtel regneten herab. Endlich gab Pendergast erneut das Signal zum Aufhören.
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