Pendergast 11 - Revenge - Eiskalte Täuschung
Tageslicht.«
Esterhazy stand auf. Seine Gesichtszüge verrieten, dass es ihm widerstrebte, mitzukommen. Draußen machten sich die Angehörigen des Suchteams mit Rucksäcken, Seilen und anderen Ausrüstungsgegenständen bereit. Am Ende der Kiesauffahrt führte ein Hundeführer zwei Spürhunde an der Leine auf einer Rasenfläche herum.
Eine Stunde darauf waren sie über den Berghang des Beinn Dearg hinwegmarschiert und am Rand des Foulmire eingetroffen, dessen sumpfige Abschnitte von einer unregelmäßigen Reihe von Felsen markiert wurden. Nebel lag über dem Moor. Die Sonne ging bereits unter, die endlose Landschaft verlor sich im grauen Nichts, die dunklen Sumpflöcher lagen still in der drückenden Luft, die leicht nach verwesenden Pflanzen roch.
»Doktor Esterhazy?« Balfour verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn stirnrunzelnd an. »Wo geht’s lang?«
Esterhazy blickte sich mit ausdrucksloser Miene um. »Es sieht alles so gleich aus.« Es hatte keinen Sinn, ihnen allzu sehr zu helfen.
Balfour schüttelte betrübt den Kopf.
»Die Hunde haben eine Fährte aufgenommen, hier drüben, Inspector.« Der Satz des Wildhüters, ausgesprochen mit einem starken schottischen Akzent, schwebte durch den Nebel. »Und ich sehe da auch was.«
»Ist das die Stelle, an der Sie ins Mire hineingegangen sind?«, fragte Balfour.
»Ich glaube, ja.«
»Also gut. Die Hunde gehen voran. Mr. Grant, Sie bleiben vorn bei ihnen. Ihr anderen folgt. Doktor Esterhazy und ich bilden den Schluss. Mr. Grant weiß, wo der Boden fest ist. Treten Sie stets in seine Fußstapfen.« Der Inspector holte gemächlich seine Pfeife hervor, die er sich eingesteckt hatte, und zündete sie an. »Und sollte jemand einsinken, rennt nicht gleich alle los wie die Trottel, sonst geht ihr selbst unter. Das Suchteam hat Seile, Rettungsringe und Teleskopstangen mit Haken, damit können wir jeden wieder rausholen, der in dem Matsch stecken geblieben ist.«
Er schmauchte seine Pfeife und sah sich um. »Mr. Grant, möchten Sie noch etwas hinzufügen?«
»Ja«, sagte der kleine, verhutzelte Mann, dessen Stimme fast so hoch wie die eines Mädchens klang, und stützte sich auf seinen Gehstock. »Wenn jemand von euch drin stecken bleibt, nicht strampeln. Ein wenig nach hinten lehnen und sich nach oben drücken lassen.« Er fixierte Esterhazy mit seinen Augen, die unter buschigen Brauen lagen, und funkelte ihn böse an. »Ich habe eine Frage an Doktor Esterhazy. Als Sie dem Hirsch durchs Mire hinterhergestiefelt sind, haben Sie da irgendwelche Landmarken gesehen?«
»Als da wären?« Esterhazys Tonfall klang verwirrt und unsicher. »Mir ist die Landschaft furchtbar leer vorgekommen.«
»Es gibt da Ruinen, Cairns und aufrecht stehende Felsbrocken.«
»Ruinen … ja, ich glaube, wir sind an ein paar Ruinen vorbeigekommen.«
»Und wie haben die ausgesehen?«
»Wenn ich mich recht entsinne«, Esterhazy runzelte die Stirn, als versuche er, sich zu erinnern, »war da ein Pferch aus Steinmauern und eine Hütte auf so einer Art Hügel, und links dahinter war, glaube ich, die Marsch.«
»Ah ja. Die alte Coombe-Hütte.« Und damit drehte sich der Wildhüter wortlos um und marschierte los durch das Gras, das Moos und die Heide, während die Spürhunde mit ihrem Führer sich beeilten, sein Tempo mitzuhalten. Er ging mit schnellen Schritten und gesenktem Kopf, schwang den Gehstock, stampfte mit seinen kurzen Beinen auf den Boden, das struppige Haar ragte wie ein weißer Kranz unter der Tweedmütze hervor.
Eine Viertelstunde lang marschierten sie schweigend weiter, die Stille lediglich unterbrochen vom Geschnüffel und Gejaule der Hunde und den leise gesprochenen Anweisungen ihres Führers. Als die Wolken sich erneut zusammenzogen und die Dämmerung sich verfrüht über die Moorlandschaft senkte, holten einige der Männer lichtstarke Taschenlampen hervor und schalteten sie an. Die Lichtstrahlen stachen durch den kalten Nebel. Esterhazy, der Unwissenheit und Verwirrung vorgetäuscht hatte, fragte sich langsam, ob sie sich vielleicht wirklich verlaufen hatten. Alles wirkte so fremd, und er erkannte nichts wieder.
Als sie abermals in eine verlassene Senke hinabstiegen, blieben die Hunde plötzlich stehen, liefen dann schnüffelnd im Kreis herum und stürmten schließlich, an den Leinen zerrend, auf eine Fährte los.
»Ruhig«, sagte der Hundeführer und zog an den Leinen, aber die Hunde waren zu aufgeregt und fingen zu bellen an – kehlige Laute, die weit über
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