Pendergast 11 - Revenge - Eiskalte Täuschung
blickte auf, begrüßte ihn und machte sich wieder an die Arbeit.
»Entschuldigen Sie«, sagte Betterton, »aber wären Sie vielleicht bereit, mich zu der Yacht da drüben überzusetzen?« Er zog einen Zwanziger aus der Hosentasche und wies mit knappem Nicken zur weißen Yacht, die ungefähr fünfhundert Meter entfernt vor Anker lag.
Der Mann erhob sich, warf einen Blick auf den Zwanziger, dann auf Betterton. »Zur
Vergeltung?
«
»Genau. Und bitte warten Sie dort, damit Sie mich zurückbringen können. Ich werde nicht länger als fünf Minuten an Bord sein, vielleicht zehn, höchstens.«
»Und was wollen Sie dort?«
»Ein Höflichkeitsbesuch. Ein Yachtbesitzer, der den anderen besucht. Ich bewundere das Boot und denke daran, mich selbst ein wenig zu vergrößern und etwas Ähnliches zu kaufen. Meine Yacht liegt da drüben.« Er hob die Hand vage in Richtung der Reede.
»Tja, ich weiß nicht …«
Im Dunkel des Bootshauses war eine Bewegung zu erkennen, ein weiterer Mann erschien, um die Mitte dreißig, er hatte ausgeblichenes, braunes Haar und war sonnengebräunt, obwohl es November war. »Ich fahr ihn rüber, Brad«, sagte der Neuankömmling und musterte Betterton.
»Okay, Vic. Kannst ihn haben.«
»Und Sie warten auf mich, solange ich an Bord bin?«, fragte Betterton.
Der Mann nickte, dann wies er auf eines der Beiboote der Hafenverwaltung. »Springen Sie rein.«
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60
Dr. Felder ging an den Bleiglasfenstern im Gang vor Dr. Ostroms Büro auf und ab. Er holte tief und erschauernd Luft und schaute hinaus auf die braune Marsch, über die ein Schwarm Gänse gen Süden flog.
Was für ein Nachmittag das gewesen war, was für ein fürchterlicher Nachmittag. Beamte der New Yorker Polizei waren im Mount Mercy ein und aus gegangen, hatten es von oben bis unten durchsucht, Fragen gestellt, die Ruhe der Patienten gestört und Constances Zimmer umgekrempelt. Einer der Beamten befand sich noch immer auf dem Gelände, für Nachfolgeermittlungen. Er stand jetzt vor dem Büro und unterhielt sich leise mit Dr. Ostrom. Ostrom blickte zu Felder hinüber, sah, dass der ihn anschaute, runzelte missbilligend die Stirn und drehte sich wieder zu dem Detective um.
Bislang war es ihnen gelungen, die Geschichte aus den Zeitungen herauszuhalten, aber das würde ihm auch nicht sehr viel helfen. Außerdem würde es nicht lange so bleiben. Er hatte bereits einen Anruf vom Bürgermeister erhalten, der ihm mit unmissverständlichen Worten klargemacht hatte, dass er, Felder, anfangen könne, sich nach einem anderen Job umzuschauen – es sei denn, Constance Greene werde mit minimalem Aufwand und null Kollateralschaden ins Mount Mercy zurückgebracht. Dass es jetzt so aussah, als sei Dr. Poole an der Flucht beteiligt gewesen – er sie vielleicht sogar arrangiert hatte –, brachte ihm eigentlich auch nichts. Fakt war: Sein Name stand auf dem Ausflugsantrag.
Was hatte dieser Dr. Poole denn nur mit Constance vor? Warum war er ein derart großes Risiko eingegangen, als er Constance aus dem Mount Mercy entführte? Arbeitete er auf Anweisung eines unbekannten Familienangehörigen? Steckte womöglich Pendergast dahinter?
Beim Gedanken an Pendergast lief es Felder kalt den Rücken hinunter.
Von weiter hinten im Flur, in der Nähe der Wachstation neben dem Eingang, waren laute Stimmen zu hören. Ein weiß gekleideter Pfleger ging auf Ostrom und den Detective zu. Felder hörte auf, auf und ab zu gehen, während sich der Pfleger kurz mit Ostrom beratschlagte.
Der Direktor des Mount Mercy wandte sich zu Felder um. »Eine Frau möchte Sie sprechen.«
Felder runzelte die Stirn. »Eine Frau?« Wer wusste denn, dass er zurzeit hier war, außer Dr. Ostrom und dem Personal? Trotzdem ging er hinter dem Pfleger den Gang entlang und zur Wachstation.
Und in der Tat, am Eingang wartete eine Frau. Um die fünfzig, klein, gertenschlank, mit feuerrotem Haar und hellrotem Lippenstift. Über die Schulter gehängt trug sie eine nachgemachte Burberry-Handtasche. Sie ging am Stock.
»Ich bin Doktor Felder«, sagte er und trat an der Wachstation vorbei. »Sie wollten mich sprechen?«
»Nein«, sagte sie mit hoher, klagender Stimme.
»Nein?«, wiederholte Felder überrascht.
»Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind. Und Sie aufzuspüren war eigentlich auch nicht meine Vorstellung von einem angenehmen Nachmittag. Ich besitze kein Auto, und wissen Sie eigentlich, wie schwierig es ist, ohne eins hier rauszukommen? Es war schon schwer genug
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