Pendragon - Der Anfang
war. Hier kam man sich wie in einem alten Gangsterfilm vor. Überall auf Hochglanz poliertes Holz, Messingornamente und Ledersofas. Es herrschte viel Betrieb, doch alle Leute sprachen nur im Flüsterton, wie in einer Bibliothek. Bestimmt hatte die Bank in dem Jahr, in dem sie erbaut worden war, ganz genauso ausgesehen. Das war 1933 gewesen.
Sie sagten der Empfangsdame, sie wä ren mit Miss Jan sen verabredet, und wurden gebeten, einen Augenblick zu warten; sie ließen sich in zwei der Ledersessel sinken, die in der Halle standen. Jetzt waren sie auf die geheimnisvolle Frau gespannt, die Nachrichten von Bobby für sie hatte.
»Hast du eine Ah nung, was los ist?«, erkundigte sich Courtney.
»Nö, keine Spur.«
Kurz da rauf betrat eine spindeldürre Frau die Ein gangs halle. Sie trug ein graues Kostüm und hatte die Haare zu einem strengen Knoten aufgesteckt. Die Brille auf ihrer Nase war klein, rund und hatte ein schwar zes Gestell. Mark wusste gleich, dass es sich um Miss Jansen handelte, denn sie sah genauso aus, wie sie am Telefon geklungen hatte. Übrigens war sie ziemlich alt – wahrscheinlich hatte sie die Bank mit gegründet.
Die Frau sprach mit der Empfangsdame, die auf Mark und Courtney zeigte. Miss Jansen musterte die beiden und runzelte die Stirn.
»Ich glaube, wir entsprechen nicht ganz ihren Erwartungen«, meinte Courtney leise.
Jetzt kam die Vizepräsidentin der Bank mit schnellen Schritten auf sie zu. Sie hielt sich kerzengerade, und ihr Hals schien völlig steif zu sein. Wenn sie zur Seite blickte, bewegte sie den ganzen Körper in die jeweilige Richtung.
»Mr. Dimond? Miss Chetwynde?«, fragte sie schnippisch.
»Das sind wir«, erklärte Mark.
»Können Sie sich ausweisen?«, erkundigte sich die Frau misstrauisch.
Die beiden reichten ihr die Schülerausweise. Sie betrachtete die Papiere eingehend und runzelte erneut die Stirn.
»Sie sind noch sehr jung«, stellte sie fest.
»Und um das herauszufinden, haben Sie unsere Ausweise gebraucht?«, entgegnete Courtney.
Mark zuckte zusammen. Courtney konnte einfach nicht den Mund halten.
Miss Jansen warf ihr ei nen säuerlichen Blick zu, bevor sie ih nen die Ausweise zurückgab. »Ziehen sich junge Leute heutzutage so an, wenn sie einen offiziellen Termin wahrnehmen?«
Mark und Courtney sahen an sich hi nunter. Sie trugen Shorts, T-Shirts und Turnschuhe. Was gab es daran auszusetzen?
»Wir sind fünfzehn, Madame. Was haben Sie denn erwartet?«, fragte Courtney zurück.
Jansen ignorierte den ironischen Unterton in Courtneys Stimme.
»Bitte folgen Sie mir«, sagte sie und eilte durch die Eingangshalle.
Courtney verdrehte die Augen, woraufhin Mark mit den Schultern
zuckte. Dann folgten sie der hageren Frau in ein Büro und ließen sich ihr gegenüber vor einem riesigen Eichenschreibtisch nieder.
»Ich habe einen Brief für Sie beide. Die Bank nimmt an, dass es sich um eine Erbschaft handelt. Ist ei ner von Ihnen mit Mr. Robert Pendragon verwandt?«
Schwierige Frage. Gerade wollte Mark antworten, dass sie nur befreundet wären, doch Courtney war schneller. »Ja, er ist ein entfernter Verwandter.«
Jansen fuhr fort: »Nun, ei gentlich spielt das kei ne Rolle, denn die Anweisungen sind eindeutig.« Sie übergab Mark einen Umschlag, der alt und verblichen aussah. Zwei Na men standen in Bobbys Handschrift darauf: Mark Di mond und Courtney Chetwynde. Mark und Courtney mussten ein Grinsen unterdrücken.
»Wir wurden beauftragt, Ih nen den Um schlag am heutigen Tag auszuhändigen. Sie sollen ihn auf der Stelle öffnen.«
Mark nickte und öff nete das Kuvert. Er zog ein zusam mengefaltetes Blatt Papier heraus, das ebenfalls vergilbt war. Der Briefkopf mit dem Namen der Bank war in kunstvoll verschnörkelten Buchstaben gehalten. Darunter stand: Schließfach Nummer 15-224.
Ein kleiner Schlüssel war beigefügt.
Mark und Courtney sahen sich ratlos an und zeigten Miss Jansen den Brief. Sie warf nur einen kurzen Blick auf das Schreiben, nahm den Schlüssel und meinte: »Bitte folgen Sie mir.«
Wieder gingen sie hinter der dürren Vizepräsidentin her.
»Das ist richtig unheimlich«, flüsterte Courtney Mark zu.
Diesmal führte Miss Jansen sie an einen Ort, den Mark immer schon hatte sehen wollen – den Tresorraum. Sie betraten ihn durch eine riesige runde Tür, die aussah, als gehörte sie nach Fort Knox. War sie geschlossen, kam kein Mensch hier herein. Oder hi naus.
Zu Marks großer Enttäuschung bekamen sie weder Unmengen frisch gedruckter
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