Penelope Williamson
unserer neuen Mama wissen.«
Nat seufzte tief und runzelte die Stirn. »Tut mir leid, Delia. Ich
weiß einfach nicht, was ich mit dem Kind tun soll.«
»Sie wird sich beruhigen, wenn wir ihr Zeit
lassen, Nat.«
Delia hatte Meg bereits gesehen. Die Kleine
stand vor der großen Kelter. Auch sie trug für den feierlichen Anlaß ein neues
Kleid. Aber es war viel zu weit geschnitten und hing unförmig um den
spindeldürren Körper. Der dunkelbraune Stoff war so stumpf wie ihr struppiges
Haar, und Meg sah wirklich wie ein häßliches Entchen aus.
In diesem Augenblick näherte sich ihnen ein Fremder. Es war ein
kleiner Mann mit einer flachen Nase, auf der unsicher eine Brille saß, die ihm ständig nach vorne rutschte. Nat stellte ihn Delia
als Isaac Deere vor. Er war der Friedensrichter und würde die Trauung
vollziehen.
Seltsamerweise wurden die Ehen in dieser Gesellschaft, in der die
Kirche einen so hohen Stellenwert besaß, vor dem Friedensrichter geschlossen
und nicht vom Pfarrer am Altar. Trotzdem würde Reverend Hooker auch zugegen sein und ihnen den Segen der Kirche
geben, denn Nat wollte unbedingt, daß die Ehe auch vor Gott geschlossen wurde. Caleb kam in seinem geistlichen Überschwang so
freundlich lächelnd auf das Brautpaar zu, daß seine Vorderzähne noch weiter
vorzustehen schienen als gewöhnlich.
»Wie schön Sie aussehen, Delia. Und was für ein wundervoller Tag
für eine Hochzeit, Mr. Parker.«
Nat betastete verlegen das eng sitzende Halstuch und murmelte
etwas Unverständliches.
»Danke, Caleb«, sagte Delia. Er und Elizabeth gehörten inzwischen
zu ihren Freunden. Elizabeth hatte einen großen Topf mit Bohnengemüse auf den Tisch
gestellt und kam mit der ihr eigenen Anmut, die Delia so bewunderte, auf sie
zu.
Ihre Begrüßung fiel etwas zurückhaltend aus,
obwohl ihre Wangen verdächtig rosa glühten. Sie drückte Delia fest die Hand
und flüsterte beinahe unhörbar: »Möge Gott dich beschützen, Delia. Und auch
Sie, Mr. Parker.«
Delia holte tief Luft und blickte sich strahlend um, wie man es
von einer Braut an ihrem Hochzeitstag erwartete. Es waren sehr viele Menschen
auf die Gemeindewiese gekommen, um bei der Hochzeit dabeizusein. Die meisten
waren für Delia noch Fremde, aber diese Leute würden ihre Nachbarn und einige
vielleicht ihre Freunde werden. Der Müller und der Schmied mit seinen sieben
Kindern. Obadia, der Schreiner, und natürlich unübersehbar Sara Kemble. Auch
Guy und Nancy Sewall. Ihnen gehörte die Farm nebenan ...
Und Tyl …
Wieder trafen sich ihre Blicke, und Delias Lächeln erstarb. Diesmal
senkte er die Augen. Entschlossen wandte er ihr den Rücken zu und ging hinunter zur Bucht. Er drehte sich
nicht mehr um, auch dann nicht, als sich der Richter räusperte und mit lauter
Stimme sagte: »So, wenn wir jetzt vielleicht anfangen könnten ...«
Isaac Deere schob die rutschende Brille etwas nach oben und
blickte vielsagend auf Tildy, die Delia noch immer hielt. Delia stellte das
kleine Mädchen ins Gras, hielt sie aber weiterhin an der Hand. Irgendwie machte
ihr das Mut und schenkte ihr Trost.
Sie warf einen kurzen Blick auf Nat. Er blickte starr geradeaus.
Seine grauen Augen wirkten traurig und schienen in eine unbestimmte Ferne
gerichtet zu sein.
Wenn mich nicht alles täuscht, dachte Delia, hofft er immer noch,
daß seine Mary am Waldrand erscheint und ihn in letzter Minute vor dieser Ehe
rettet.
»Nat«, flüsterte sie, ohne auf den Richter zu achten. »Es ist noch
nicht zu spät. Sie können es sich noch einmal überlegen.«
Er schluckte mehrmals, schloß die Augen, und sein Kopf schwankte
gefährlich hin und her. »Nein, Delia ... Es muß sein.« Also gut, dachte Delia.
Es muß sein.
Ja, auch sie hoffte auf Rettung in letzter Minute. Sie mußte sich
zwingen, nicht laut nach Tyl zu rufen, damit er die Trauung verhinderte. Warum
kam er nicht, gestand seine Liebe und bewahrte sie vor diesem unwiderruflichen
Fehler? Die Heirat war ein Fehler, daran zweifelte Delia nicht mehr.
Aber sie rief nicht nach Tyl, und er kam
nicht zurück. Der Richter sprach die offiziellen Worte der Eheschließung. Aus
seinem Mund klangen sie so gelangweilt, daß die Bedeutung fast zur Nebensache
wurde. Nat und Delia antworteten mechanisch, ohne noch einmal über das »Ja«
nachzudenken.
Dann hörte Delia den Richter plötzlich sagen: »Im Namen des
allmächtigen Gottes und im Namen des Gesetzes erkläre ich euch zu Mann und
Frau.«
15
Das Fest war in vollem Gange, aber Meg nahm
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