Penelope Williamson
holte tief Luft und zwang sich, ihm in die
Augen zu sehen. »Tut mir leid, Tyl. Das war nicht nett von mir. Die Stute ist
ein schönes Pferd und ein wertvolles Geschenk. Ich danke dir dafür.«
Es dauerte eine Weile, bis er seinen Ärger überwand. Er starrte
sie herausfordernd an, aber schließlich stieß auch er einen langen Seufzer aus.
»Ach, Delia, ich wollte dir nur eine Freude machen ...«
»Das hast du, Tyl, und auch Nat wird sich freuen. Die Stute wird
für uns sehr nützlich sein, denn Nat hat nur ein Pferd, und es ist schon
ziemlich alt.«
Er lächelte und sah sie verschmitzt an. »Nat hat die Stute bereits
gesehen. Er will sie heute nachmittag bei dem Rennen reiten.«
Tyl ging mit der Stute zum Sattelplatz und
schlang den Zügel um den Balken. Dann lehnte er sich an das rauhe Holz. Er
hatte seinen Überrock abgelegt und die Hemdsärmel bis zu den Ellbogen aufgerollt.
Die Sonne ließ die goldbraunen Haare auf seinen Unterarmen leuchten, aber
obwohl er sich entspannt gab, war er es nicht. Delia folgte ihm langsam und
legte die Hände auf den Balken.
Wir werden von jetzt an Freunde sein, dachte sie und sah ihn offen
an.
»Was ist das für ein Rennen?« fragte sie, um das Schweigen zu
brechen. »Alle reden davon, aber etwas Genaues hat mir noch niemand darüber
gesagt.«
Der Wind blies ihm eine braune Locke in die Stirn, und er schüttelte
übermütig den Kopf. »Das Pferderennen ist in Merrymeeting bei jedem Fest
bereits Tradition.«
»Wahrscheinlich bist du immer der Sieger.«
»Da irrst du dich, ich nehme nie daran teil.«
»Willst du nicht verlieren?«
Er lächelte spöttisch. »Nein. Ich kann nicht teilnehmen, denn ich bin der Preis, das heißt, der Sieger bekommt ein kostenloses Kind.«
»Wie bitte?« rief Delia und sah ihn ungläubig an. Er genoß es
sichtlich, sie mit seinen zweideutigen Worten zu verwirren.
»Also, paß auf. Dem Sieger berechne ich bei
der nächsten Entbindung seiner Frau nichts. Der Preis ist sehr begehrt, weil
meine Dienste nicht gerade billig sind. Bei den langen kalten Wintern gibt es
in Merrymeeting, wie du dir vorstellen kannst, immer genug Babys ...«
»Tyl, du bist wirklich erstaunlich, das ist wundervoll! « sagte
sie strahlend.
Er wurde ernst und starrte auf den Wald, der
sich bis zu den Bergen erstreckte. Seine Augen wirkten noch dunkler als der
Himmel. »Nein, das bin ich nicht, Delia. Ich möchte mich für all das entschuldigen,
was ich heute morgen zu dir gesagt habe. Ich weiß nicht, was über mich ...«
»Still, laß uns nicht darüber sprechen. Es
ist geschehen und vergessen. Ich ... ich bin jetzt verheiratet ...« Sie
verstummte. Ihre Blicken trafen sich und trennten sich. Er legte ihr die Hand
auf die Schulter und drückte sie so fest, daß es beinahe schmerzte. »Ich hoffe,
du wirst glücklich werden, Delia«, murmelte er mit belegter Stimme. »Ich
wünsche dir und Nat wirklich alles erdenklich Gute.«
Sie nickte stumm, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Hoffentlich
sah er nicht die Tränen in ihren Augen.
»Also dann ...« Seine Hand fiel von ihrer Schulter und streifte
ihren Arm. Sie biß die Zähne zusammen. »Wir sollten zu den anderen gehen,
solange es noch etwas zu essen gibt.«
Er ging langsam zur Gemeindewiese hinüber. Sie
blieb zurück und folgte ihm mit den Augen. Ihre Sehnsucht nach ihm war größer
denn je. Sie wollte noch immer das, was sie nie haben konnte – seine Liebe.
Delia hob den Rock, und Tyl sah ihre hübschen Beine. Mit einem breitem
Grinsen beobachtete er, wie sie den Ball auf das Tor schoß – in diesem Fall
zwei dreibeinige Hocker. Daniel machte einen großen Satz, aber der Ball flog an
ihm vorbei ins Tor, und er warf einen Hocker um.
»Ha, ha, ha! « Meg lachte höhnisch und rief laut: »TOOOR! Na so was,
du bist aber kein guter Torwart, Daniel ...«
Er bekam einen roten Kopf und schrie zurück: »Halt endlich den
Mund, Meg! «
Tyl stand neben der Kleinen und sah sie erstaunt an. »Ich dachte,
du und Daniel, ihr seid Freunde.«
»Pah!« Meg verzog so verächtlich das Gesicht, daß Tyl unwillkürlich
lachte. »Ich hasse ihn! Er ist ein Grobian und so häßlich wie die Nacht.«
Tyl sah sich Daniel erstaunt etwas genauer an. Daniel war ein
hübscher Junge. Er war schlank und drahtig und hatte dichte goldblonde Haare.
Nun ja, dachte Tyl amüsiert, in ein paar Jahren wird sie sich von ihm küssen
lassen ...
Tildy saß auf der Erde und lehnte sich an Tyls Beine. Sie nahm das
Däumchen aus dem Mund und rief:
Weitere Kostenlose Bücher