Penelope Williamson
fraglich, aber du hast allem Anschein
nach nicht die Pocken, obwohl ...«
Delia stemmte beide Fäuste in die Hüften.
»Heee!« rief sie so laut, daß er zusammenzuckte. »Sie unverschämter Kerl! Auch
wenn ich in einer Kneipe arbeite, bedeutet das noch lange nicht, daß ich
eine Hure bin! Ich habe nicht gesagt, daß ich diese Stelle will. Ich will sie
nicht! Auch wenn Sie der letzte Mann auf Erden wären, würde ich Sie nicht
heiraten ...«
Er blickte Delia einen Moment lang
stirnrunzelnd an. Dann legte er den Kopf zurück und lachte laut. Delia sah
sich im Zimmer nach etwas Geeignetem um, mit dem sie ihn hätte schlagen können.
Nur der Schürhaken neben dem Kamin wäre geeignet gewesen, aber leider stand
dieser Kerl direkt davor.
»Delia, Delia!« rief er noch immer lachend. »Das eine weiß ich,
Merrymeeting wäre mit dir nicht mehr dasselbe. Nat würde mich vermutlich
steinigen, wenn ich dich mitbringe.«
»Das verstehe ich nicht«, erwiderte Delia und biß sich auf die
Lippen. Am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen.
Er hörte auf zu lachen, aber in seinen Augen lag noch immer ein
übermütiges Funkeln. »Nicht ich suche verzweifelt nach einer Frau.«
»Aber hier ... hier in der Zeitung steht doch ...«
»Ich habe die Anzeige für einen Nachbarn
aufgegeben, der vor zwei Monaten seine Frau verloren hat. Mit zwei Töchtern und
einer Farm braucht er eine Frau, die ihm hilft. Aber in Maine gibt es leider
Gottes nur wenige heiratsfähige Frauen«, erklärte er. Maine war jene endlose
Wildnis im Nordosten der Kolonie New Hampshire. »Ich bin nach Boston gekommen,
um einen Geistlichen für unsere Siedlung zu finden. Nat hat mich beschworen,
ihm eine Frau zu beschaffen, während ich hier in der Stadt bin. Ich habe ihm
gleich gesagt, daß das eine völlig verrückte Idee ist.«
Delia ließ enttäuscht den Kopf sinken. Sie
hätte es wissen sollen, daß sich ein Mann wie Tyler Savitch nicht soweit
erniedrigen mußte, eine Frau über eine Zeitungsanzeige zu finden. Mein Gott,
sie hatte sich wirklich schrecklich daneben benommen. Zuerst hatte sie sich in
sein Schlafzimmer geschlichen und nun das ... Delia glaubte sich plötzlich mit
seinen Augen zu sehen. Sie war schmutzig, stank zum Himmel und hatte von nichts
eine Ahnung. Vor Scham wäre sie am liebsten im Boden versunken.
Sie schluckte und zwang sich dann, ihn anzusehen. »Was ist mit der
Frau Ihres Freundes geschehen?«
Vermutlich war das eine angemessene Frage, wenn sie sich dazu
bereit erklären sollte, ihm in die Wildnis zu folgen, um einen Fremden zu
heiraten ...
Er schlug die blank polierten Stiefel nachlässig übereinander.
»Sie ist an Lungenentzündung gestorben.«
»Oh.« Delia schluckte und starrte auf den
Boden. Was wird jetzt wohl geschehen, dachte sie. Wird er mich wirklich mit in
die Wildnis nehmen und zu seinem Freund bringen? Will ich das überhaupt?
Im Grunde hatte sich nichts geändert. Sie sehnte sich beinahe
verzweifelt danach, die Armut und das schreckliche Leben in Boston hinter sich zu lassen. Sie wollte unter allen Umständen die
Möglichkeit haben, irgendwo ein anständiges Leben zu führen. Ja, sie wollte
eine ehrbare Frau werden ...
»Wie alt sind die beiden Kinder?«
»Das eine Mädchen ist neun und das andere
drei ..., glaube ich.«
Wenigstens sind es keine Säuglinge, dachte Delia erleichtert. Denn
sie wußte nicht, wie man Babys versorgt, aber das hätte sie ihm nicht gesagt.
»Was für ein Mann ist Ihr ... Freund?«
»Nathaniel Parker ist eher ein Nachbar als ein Freund. Aber er ist
ein guter Mann, Delia. Du mußt keine Angst vor ihm haben. Er besitzt zweihundert Morgen Wald, und zur Farm
gehören noch einmal hundertzwanzig Morgen Land, obwohl erst ungefähr die Hälfte
davon gerodet ist. Er hat sich ein schönes Haus gebaut. Du wirst schwer
arbeiten müssen, aber das Land von Sagadahoc ist fruchtbar, und dir wird es an
nichts fehlen.«
»Ich habe
keine Angst vor der Arbeit ...«
»Nach allem, was ich bisher gesehen habe, scheinst du kaum vor
etwas Angst zu haben.« Er sah sie an und verzog spöttisch den Mund. Sie mußte
sich eingestehen, daß es ihr gefiel, wenn er auf diese Art lächelte. Irgendwie
veränderte sich dabei sein Gesicht.
Seine Lippen sind nicht mehr so schmal, dachte sie, und er sieht
nicht mehr so gefährlich aus. Wie mag es wohl sein, wenn man sie mit dem Finger
berührt ...? Mein Gott, Delia! Wie kannst du nur so verrückt sein, rief sie
sich zur Ordnung. Ich werde ihm nie nahe genug kommen,
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