Penelope Williamson
trotzdem kann
ich mein Können zur Verfügung stellen. Oberst Bishop setzt mich als seinen
Adjutanten ein. Meine Mary und ich, wir fanden, das sei mein Beitrag für die
allgemeine Sicherheit.«
Delia wollte ihm erklären, daß sie nicht vorgehabt hatte, seine
Fähigkeiten in Frage zu stellen, aber sie unterließ es. Aus bitterer Erfahurng
wußte sie inzwischen, daß sie mit ihren Erklärungen alle
Meinungsverschiedenheiten, zu denen es ständig kam, nur noch verschärfte.
Sie nahm jetzt wortlos den Hut vom Kopf und setzte ihn Nat auf die
blonden Haare. Dann befestigte sie die Kokarde und einen kleinen Kiefernzweig am
Aufschlag. Sie reichte ihm die Muskete und ging mit Nat aus der Scheune. Die
anderen Männer warteten vor dem Haus. Ihr übermütiges Lachen erfüllte die Luft.
Im Grunde sind sie nicht anders als kleine Jungen, dachte Delia.
Für die Männer ist das alles nur ein aufregendes Spiel.
Für die Männer von Merrymeeting war das
Manöver ein Ausflug, der fünf Tage dauerte. Einen Tag lang fuhren sie mit dem
Schiff nach Wells, drei Tage dauerte das Manöver, und anschließend brauchten
sie noch einen Tag für die Rückfahrt. Nach allem, was Delia von den anderen
Frauen wußte, war für die Männer das Manöver ein guter Vorwand, um sich ein
paar Tage den kritischen Blicken ihrer Frauen zu entziehen. An den Vormittagen
wurde exerziert, aber nach dem Mittagessen veranstalteten sie Pferderennen,
Wettschießen und andere typisch männliche Wettkämpfe. Und abends tranken die
Männer alles, was es gab. Nur Oberst Bishop, der Kommandant, und Nat, der nur
Sprossenbier trank, nahmen das Manöver wirklich ernst.
Nat ging ins Haus, um sich von den Mädchen zu
verabschieden und den Rest seiner Ausrüstung zu holen – Munition, das Pulverhorn,
das Beil und das hölzerne Eßgeschirr. Delia suchte unwillkürlich unter den
Köpfen der Männer den einen, nach dem sie sich sehnte, aber als sie die roten
Haare des stämmigen Schmieds entdeckte, ging sie kopfschüttelnd zu ihm.
»Was machen Sie denn hier, Sam? Ich dachte, Ihre Hannah kann jeden
Tag ihr Kind bekommen.«
Sam wiegte verlegen den Kopf. »Ach wissen Sie, Mrs. Parker ...«
»Die Wehen haben schon eingesetzt«, erklärte Obadia an seiner
Stelle. »Der Doktor sagt, das Kind liegt falsch, und deshalb weiß er nicht, wie
lange es noch dauern wird. Dr. Tyl hat sich mit Sam darauf geeinigt, daß Sam
ins Manöver ziehen darf, und der Doc bleibt bei Mrs. Randolf, bis das Kind
geboren ist.«
Delia schüttelte mißbilligend den Kopf. »Wie können Sie nur so
hartherzig sein, Mr. Randolf, jetzt Ihre Frau zu verlassen?«
Sam sah sie treuherzig an und erwiderte: »Ach was, Mrs. Parker, um
Hannah muß ich mir keine Sorgen machen. Sie hat mir, ohne mit den Wimpern zu
zucken, schon sieben kräftige Buben geboren. Sie braucht mich nicht. Ich bin
nur im Weg, und der Doc kann ihr besser helfen als ich.«
»Hm, da können Sie von Glück reden, daß Dr. Savitch auf das
Manöver verzichtet.«
»Ja, normalerweise kommt er mit«, sagte Obadia. »Obwohl Ärzte vom
Militärdienst befreit sind. Doch er hat so große Erfahrung mit den Indianern,
daß der Oberst ihn eigentlich gern bei sich hat. Aber Sie kennen ja unseren
Doktor, wenn es um Geburten geht, läßt er alles andere stehen und liegen.
Diesmal verzichtet er sogar auf das Manöver.«
Nat kam aus dem Haus. Er hatte Tildy auf den Armen, und Meg wich
nicht von seiner Seite. Tildy drückte ihre neue Puppe liebevoll an sich. Es war
eine Squaw mit einem Lederwams und einer Muschelkette um den Hals, den rot
gefärbten Muscheln, die bei den Abenaki als Geld benutzt wurden, und sie trug
eine Vogelfeder in den schwarzen Haaren.
Tyl hatte Tildy die Puppe einen Tag nach dem
Zwischenfall am Fluß geschenkt, bei dem sie Gretchen verloren hatten. Delia hatte
ihn nicht gesehen, als er die Puppe brachte, denn sie war im Haus und versuchte
erfolglos, mit Marys Spinnrad zu spinnen. Als Tildy ihr später die Puppe
zeigte, verblüffte sie die Kinder und Nat, indem sie in Tränen ausbrach, ins
Schlafzimmer lief und die Tür hinter sich zuschlug.
Später berichtete ihr Nat, daß Tildy die
Puppe »Hildegard« getauft habe. »Ich möchte nur wissen, wie das Kind auf einen
solchen Namen kommt?« Er wagte es kaum, Delia dabei anzusehen, denn er
fürchtete, sie würde sofort wieder anfangen zu weinen.
Delia verstand selbst nicht, weshalb Tyls liebevolles Geschenk bei
ihr so ein törichtes Verhalten auslöste. Aber jedesmal, wenn sie die Puppe
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