Penelope Williamson
Oberschenkel traf.
Delia starrte verblüfft den Stiel ohne die Axt an. Zuerst spürte
sie nichts, aber dann durchzuckte sie ein so heftiger Schmerz, daß sie gellend
aufschrie.
Sie drückte die Hand auf den Schenkel. Die
Finger färbten sich auf der Stelle rot. Delia ließ den Axtstiel fallen,
humpelte zum Hackklotz und sank darauf nieder. Der Schmerz war so groß, daß ihr
alles vor den Augen verschwamm und sie flach und schnell atmete. Das Blut war
dunkel und wirkte fast schwarz. Sie biß die Zähne zusammen und schob mutig den
zerfetzten Rock zur Seite, denn sie fürchtete sich vor dem, was sie sehen
würde.
Beim Anblick der Wunde wurde sie beinahe
ohnmächtig. Es war ein tiefer gezackter Schnitt, aus dem das Blut hervorquoll.
Zitternd preßte sie die Hand auf die Wunde, um das Bluten zu stoppen. Sie
hörte eine Tür schlagen und Megs Stimme, die nach ihr rief. Delia wollte
antworten, aber ihr fehlte die Kraft. Ihr wurde schwarz vor den Augen. Sie
blinzelte und sah schemenhaft Megs entsetztes Gesicht. »Hol Dr. Tyl ... er ist
... bei ... Hannah ... das Kind ...«
Dann versank die Welt bis auf zwei winzige Lichtpunkte, die
langsam erloschen.
Etwas später, sie wußte nicht, wieviel Zeit
vergangen war, fühlte Delia feuchte Lippen auf ihrer Wange. Sie zwang sich
dazu, die Augen aufzuschlagen. Ein Lockenköpfchen drückte sich an sie. »Hat die
Axt dich getroffen ...?« flüsterte ihr Tildy ins Ohr. »Bekommst du jetzt auch
einen Holzfuß wie Papa?«
Delia war nicht in der Lage zu antworten, denn sie verlor wieder
das Bewußtsein.
Dr. Savitch konnte nicht verhindern, daß seine Hände zitterten, als
er Delia mit dem Tourniquet den Oberschenkel abband. Er wollte nicht daran
denken, daß Delia längst verblutet wäre, wenn die Axt etwas tiefer gedrungen
wäre und die Arterie getroffen hätte.
Warum nur tat sie ihm das ständig an? Seine
Angst um sie kannte mittlerweile keine Grenzen mehr. Er hatte alles versucht,
um sein Herz vor ihr zu schützen. Er war wirklich entschlossen gewesen, sich
von ihr fernzuhalten, damit sie ihn nicht länger quälen und seine Gefühle
verletzen konnte. Aber alles war umsonst. Gegen seinen Willen galt seine ganze
Sorge nur ihr. Und sie schien bewußt den Tod herauszufordern, damit er sich
immer wieder eingestehen mußte, daß er sich ein Leben ohne sie nicht mehr
vorstellen konnte.
Er hob die blutige Hand und wollte das schmerzverzerrte Gesicht
streicheln. Er hätte sich gern selbst das Bein amputiert, um ihr diese Qualen
zu ersparen. In diesem Augenblick wußte er, daß Delia ihm mehr bedeutete als
sein eigenes Leben. Er hätte alles für sie geopfert ... alles.
Ihre Augenlider zuckten, und sie flüsterte:
»Tyl ...?«
Er beugte sich vor und drückte die Lippen auf ihre Stirn. »Ich bin
bei dir, Liebste.«
»Die Axt, Tyl ... ich konnte nichts dafür ...«
»Schon gut, mach dir keine Sorgen. Ich werde die Wunde nähen, aber
zuerst muß ich dich ins Haus tragen.«
Vorsichtig legte er ihr die Arme um den Nacken
und hob sie langsam hoch, aber trotzdem schrie sie vor Schmerz auf. Er glaubte,
sie habe wieder das Bewußtsein verloren, als er sie ins Haus trug und im
Schlafzimmer auf das Bett legte. Aber sie sah ihn an, wenn auch sichtlich unter
großen Schmerzen.
»Tut mir leid, Tyl, daß ich dir ständig diese Umstände mache ...
du ... du hast nur Schwierigkeiten mit mir.«
»Ich bin inzwischen daran gewöhnt«, sagte er so unbeschwert wie
möglich und fuhr ihr liebevoll mit dem Finger über die Wangen. »Du und das
nächste Unglück gehören zusammen wie der Floh und der Hund.«
Sie lächelte schwach und schloß die Augen. Tyl drehte sich um und
sah Meg in der Tür. Sie hielt die weinende Tildy an der Hand. »Hat dein Papa
Rum oder Brandy im Haus?«
»Sie meinen die große Medizinflasche, Dr.
Tyl?«
»Ja, vermutlich ... hol mir auch noch einen Becher und setz Wasser
zum Kochen auf.«
In der Flasche war Brandy. Sie reichte Dr. Tyl mit kreisrunden
Augen auch einen Becher. Er sagte zu ihr: »Warte mit Tildy in der Küche, und
mach die Tür zu.«
Dann setzte er Delia den vollen Becher an die Lippen. »So, Kleines,
jetzt werde ich dich betrunken machen ...«
Sie murmelte ängstlich: »Du wirst dich doch nicht an mir vergreifen
...?«
Tyl zuckte zusammen. Er konnte ihr nicht antworten, noch nicht
einmal lächeln.
Trotz ihrer Proteste zwang er sie, soviel Brandy zu trinken, daß
sie schließlich beinahe bewußtlos war. Dann säuberte er die Wunde sorgfältig
und vernähte sie
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