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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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Schweinen auswich, die grunzend in Fischabfällen wühlten.
    Sie blieb erst stehen, als sie die Sear's
Werft und den Kai in der Ship Street hinter sich gelassen hatte. Sie lehnte
sich gegen die rauhen Bretter eines Seilerschuppens. Ihr Brustkorb hob und
senkte sich wie ein Blasebalg, während sie keuchend nach Luft rang. Die
Schmerzen in der Seite, wo ihr Vater sie mit der Faust getroffen hatte, waren
so heftig wie Messerstiche. Vorsichtig betastete sie ihre Rippen und hoffte,
daß nichts gebrochen war.
    »Vater ...«
    Tränen traten ihr in die Augen. Sie ließ den Kopf gegen die Bretterwand
sinken und schloß die Augen, riß sie aber erschrocken wieder auf, als sie
spürte, wie sich zu beiden Seiten ihres Gesichts zwei Hände auf die Bretterwand
stützten.
    »Hier bist du also, mein Schatz! Ich habe dich schon überall
gesucht ...«
    Delia blickte direkt in ein Paar hellblaue
Augen. Unter einer roten Stoffmütze quollen dichte blondgelockte Haare hervor.
»Mein Gott, Tom! Hast du mich erschreckt ...«
    Der junge Mann lächelte zufrieden. Dann runzelte er die Stirn und
fragte besorgt: »Sag mal, was ist denn mit dir los?«
    Delia wischte sich eine Träne von der Wange.
»Nichts ...« Sie holte vorsichtig Luft und zwang sich zu einem Lächeln. »Und
was machst du hier am hellichten Tag? Es ist doch Montag! Was glaubst du, wird
der alte Jake mit dir machen, wenn er dich hier unten am Hafen erwischt?«
    Tom Mullins arbeitete bei Jake Steerborn, dem Schmied.
Wenn Jake erfuhr, daß sein Gehilfe am Hafen herumspazierte, anstatt in der
Schmiede seiner Arbeit nachzugehen, würde er Tom verprügeln.
    »Der alte Schinder frißt und säuft im Löwen«, erwiderte Tom.
»Warum soll ich in der Schmiede am heißen Feuer stehen, wenn er nicht da ist?«
Er lachte und strich Delia mit den Fingern zärtlich über die Wange. »Wo bist du
in den letzten Tagen gewesen? Du hast mir gefehlt ...«
    Als er sie küssen wollte, drehte sie schnell
den Kopf zur Seite. Aber er faßte sie mit der Hand am Kinn und zog ihren Kopf
sanft zurück. Schließlich gab sie nach und ließ sich von ihm küssen. Als seine
Hände jedoch an den Bändern ihres Mieders zogen und er seine Zunge zwischen
ihre Zähne schob, fiel Delia wieder ein, weshalb sie Tom Mullins in den
letzten Tagen aus dem Weg gegangen war, und sie stieß ihn energisch von sich.
    »Laß das, Tom! Das ... das dürfen wir nicht. Daraus kann nichts
Gutes werden«, fügte sie nach kurzem Nachdenken hinzu. Tom würde erst frei für
sie sein, wenn er seine Schulden abgedient hatte. »Du mußt noch vier Jahre
arbeiten, bevor wir ans Heiraten denken können ...«
    »Heiraten! Wer redet denn von heiraten?« rief
Tom wütend und schlug mit der Faust so fest gegen die Bretterwand, daß Delia
zusammenzuckte. »Verflucht, Delia, spiel nicht die keusche Unschuld! Du hast es
schon öfter gemacht. Warum nicht mit mir?«
    Empört holte Delia tief Luft. »Wer hat das
gesagt?«
    »Alle ... alle im Löwen.«
    Sie schob ihn mit ganzer Kraft von sich. Verblüfft wich er zurück.
»Sie lügen alle! Ich bin keine Hure, Thomas Mullins! Wenn du mich für eine Hure
hältst, dann brauchst du mir nicht mehr unter die Augen zu kommen!«
    Sie ging an ihm vorbei, aber er griff nach ihrem Arm und zog sie
zurück. Delia glaubte, er werde sie schlagen und machte sich auf den Schmerz
gefaßt. Aber sein Zorn verflog so schnell, wie er gekommen war.
    »Tut mir leid, Delia ...«
    »Laß mich los!« stieß sie mit
zusammengepreßten Lippen hervor.
    Er drückte ihren Arm so fest, daß sie blaue Flecken bekommen
würde, aber schließlich ließ er sie los.
    »Bei Gott, Delia, du weißt nicht, was du
einem Mann antust ...« Er schob die Hände unter den Gürtel seiner Leinenhose
und starrte auf seine nackten Füße. Dann hob er den Kopf und sah sie kalt an.
»Natürlich weißt du es. Mir kannst du nichts vormachen. Wenn du mit deinen
goldgelben Augen einen Mann ansiehst, verliert er den Verstand. Du hast
Katzenaugen und ... diese tiefe, rauhe Stimme. Du weißt verdammt gut, was du
tun mußt, um einem Mann den Kopf zu verdrehen.«
    Delia wollte sich das nicht länger anhören. Sie drehte sich um und
lief davon. Obwohl er beschwörend hinter ihr herrief, warf sie keinen Blick
zurück. Sie hatte in seinen Augen genug gesehen.
    Er wird mich schlagen, dachte sie. Diesmal hat er sich noch
zurückgehalten. Vielleicht wird er sich auch das nächste Mal noch beherrschen.
Aber eines Tages wird er es nicht mehr können, und dann wird er mich mit

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