Penelope Williamson
die Augen und Zähne verschwanden.
Verzweifelt drückte sie gegen den Baumstamm, der sich nicht von der Stelle
rührte.
Erschöpft sank sie schließlich wieder zurück und blickte verzweifelt
nach oben.
»Sieh an«, hörte sie eine bekannte Stimme, »da haben wir ja
offenbar eine Wildkatze gefangen.«
5
Tyl stützte sich auf das Gewehr, legte lässig das Kinn auf das Handgelenk
und sah gelangweilt hinunter in die Grube.
»Holen Sie mich hier raus!« rief Delia.
»Warum?«
»Weil ...! Sie können so verdammt
liebenswürdig sein. Soll ich vielleicht die Nacht in dieser Falle verbringen?
Holen Sie mich raus.«
»Damit du die arme Mrs. Hooker mit noch mehr blutrünstigen
Indianergeschichten in Angst und Schrecken versetzen kannst?«
»Ich habe Ihnen gesagt, daß es mir leid tut ...«
»Dir tut es nicht leid, wenn du mich solange reizt, bis ich aus
der Haut fahre und meine guten Manieren vergesse. Ich bin, wie du weißt, ein
freundlicher und kultivierter Mensch. Aber du machst aus mir ein Ungeheuer.«
»Mir gegenüber sind Sie nicht gerade freundlich und kultiviert.
Oder ist das Spiel, das Sie gerade mit mir treiben, etwa freundlich?«
Er seufzte und schüttelte den Kopf, bewegte sich aber nicht von
der Stelle. Delia ließ sich nicht täuschen. Sie wußte genau, daß er sich auf
ihre Kosten einen Spaß erlaubte.
Sein Gesicht zeichnete sich vor dem
mittlerweile dunklen Hintergrund des Himmels ab, und sie glaubte, ihn auf
seine übliche spöttische Weise lächeln zu sehen. Gott sei Dank lag sie für ihn
kaum sichtbar, halb von dem Baumstamm verdeckt, am Boden der Grube, denn ihr
Rock war hoch über die Beine gerutscht, und die nassen Erdklumpen und Nadeln
machten sie auch nicht gerade hübscher.
»Ich hole dich heraus, aber unter einer
Bedingung«, sagte er.
»Ich werde nicht mit Ihnen auf dem verdammten Hengst reiten!«
rief Delia, denn sie ahnte die Bedingung.
»Wie du willst.«
Er verschwand aus ihrer Sicht.
»Verdammt noch mal, Tyl!« Als er nicht erschien, rief sie ängstlich:
»Tyl, kommen Sie zurück! Bitte! Ich werde alles tun, was Sie wollen, aber
kommen Sie zurück ... Tyl!«
Er tauchte wieder auf, setzte sich an den
Grubenrand und ließ die Beine herabbaumeln. Das Gewehr legte er quer über die
Knie. Delia biß die Zähne zusammen. Er tat, als hätten sie alle Zeit dieser
Welt.
»Bald wird es Nacht werden«, sagte er unbeschwert und blickte zum
Himmel hinauf.
Delia schnaubte.
»Ja ...« Er pfiff leise. »Ich vermute, wir werden gegen Mitternacht
Regen bekommen.«
»Tyl, in der Nähe läuft ein Wolf herum.« Ihre Stimme klang leise,
wurde allmählich aber laut und scharf. »Ich hoffe, er frißt Sie. Sie hätten es
wirklich verdient!«
Tyl lachte. »Ich glaube nicht, daß es ein Wolf ist. Dafür ist das
Dorf zu nah. Wahrscheinlich hast du den alten Hund aus dem Gasthaus gesehen.«
Delia mußte schlucken. »Wie ... wie weit ist
es denn bis zum Dorf?«
»Ach, nur ein paar Minuten, wenn wir uns
beeilen.«
Sie wurde rot. Zum Glück konnte er in der Dunkelheit ihre Verlegenheit
nicht sehen. Delia hatte geglaubt, sie sei weit in den Wald gelaufen und habe
sich irgendwo in der Wildnis verirrt.
Sie zuckte zusammen, als Tyl plötzlich in die Grube sprang. Er
tastete nach ihr, und dann hörte sie ihn erschrocken fluchen, als er den
Baumstamm entdeckte, der über ihrem Bein lag. »Du meine Güte, warum hast du mir
das nicht gesagt?«
»Ich dachte, Sie hätten es gesehen.«
»Wie sollte ich ...«, murmelte er und umfaßte den dicken Stamm mit
beiden Händen. Schnaufend und stöhnend hob und stemmte er ihn langsam zur
Seite. Plötzlich war sie von der Last befreit. »Beweg dich nicht!« befahl er,
als sie sich aufsetzen wollte.
Er betastete ihr Bein. Es schmerzte, aber
unter der Berührung seiner Finger schien sie die Schmerzen nicht mehr zu
spüren. Sie schloß die Augen und überließ sich seinen Händen ... so sanft, so
zart, einfach wundervoll. In ihrer Magengrube entstand eine Wärme, die sich im
ganzen Körper ausbreitete. Bald schien ihre Haut zu glühen. Ihre Lippen wurden
trocken, und sie mußte schlucken.
Aus weiter Ferne hörte sie seine Stimme: »Es
ist nichts gebrochen, aber du wirst einen großen blauen Fleck bekommen. Du
kannst von Glück sagen, daß du noch lebst. Der Stamm ist dafür gedacht, alles
zu töten, was in diese Grube fällt.«
Delia zitterte, als seine starken Hände ihre Taille umfaßten und
ihr beim Aufstehen halfen. »Kannst du das Bein belasten?«
Sie probierte
Weitere Kostenlose Bücher