Penelope Williamson
sich heftig
um und rannte aus dem Dorf hinaus. Sie hörte ihn rufen, doch sie warf keinen
Blick zurück. Tränen strömten ihr über die Wangen.
Nach einer Weile verließ sie den Weg und lief
auf einen bewaldeten Hügel zu. Die hohen graugrünen Kiefern und die dunkelgrünen
Fichten dämpften die hellen Strahlen der abendlichen Sonne. Unter dem Gewirr
der Äste war es angenehm kühl. Die Schritte ihrer nackten Füße waren auf dem
dichten braunen Nadelpolster am Boden fast lautlos. Sie wurde langsamer und
folgte einem Wildwechsel.
Es war ein schöner Wald. Die Tränen versiegten bald, und der
drückende, quälende Schmerz in ihrer Brust verschwand. Sie sah sich staunend
um. Sie entdeckte einen gelben Specht, der einen Baumstamm nach Käfern
absuchte, und bewunderte einen zart-braunen Schmetterling mit gelben Ringen auf
den Flügeln, der sie schaukelnd umkreiste, als suche er Gesellschaft. Um einen
hohen Farn wuchsen in ordentlichen Reihen Pilze mit leuchtendroten Hüten. Delia
mußte unwillkürlich an Soldaten denken, die zur Parade angetreten waren.
Sie folgte dem Wildpfad, bis ihr ein umgestürzter Baum den Weg
versperrte. Zögernd blieb sie stehen. Vielleicht sollte sie umkehren. Sie
wollte sich nicht verirren und dadurch Tyl den nächsten Grund liefern, sie zu
tadeln. Es war zwar sehr schön hier, aber vermutlich gab es auch in diesem Wald
Raubtiere ... Pumas, Bären und Wölfe.
Als es in ihrem Rücken raschelte, drehte sie
sich erschrocken um. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Ängstlich blickte sie auf die
Büsche und Bäume, aber sie sah nichts. Trotzdem schien es in den letzten
Minuten plötzlich sehr viel dunkler geworden zu sein. Die Sonne war schlagartig
verschwunden. Delia wollte jetzt unbedingt zurück, denn sie durfte auf keinen
Fall bei Einbruch der Dunkelheit noch im Wald sein.
Langsam ging sie den Wildwechsel zurück, auf dem sie gekommen
war. Doch plötzlich teilte er sich: Ein Pfad führte nach rechts, der andere
nach links.
Sie zögerte kurz und entschied sich dann für den rechten Pfad.
Aber nach wenigen Schritten blieb sie verunsichert stehen. Alles um sie herum
wirkte fremd. Nein, im Grunde sah alles gleich aus. Ein paar gelbe Blumen
fielen ihr auf. Es waren Goldruten. An die goldgelben Blüten hätte sie sich
doch bestimmt erinnert.
Sie mußte also in die falsche Richtung
gegangen sein.
Delia machte kehrt, aber anstatt an die Stelle zu kommen, wo sich
der Wildwechsel gegabelt hatte, erreichte sie einen Punkt, wo die Pfade in drei
verschiedene Richtungen führten. Überall im Wald sah sie plötzlich Wildwechsel.
Sie schienen jedoch im Kreis zu laufen oder sich ständig zu kreuzen.
Hinter ihr raschelte es. Ein Zweig brach mit
einem lauten Knacken.
Delia begann wieder zu laufen. Sie sprang über einen niedrigen
Farn, schob hastig dichte grüne Fichtenzweige zur Seite und ... plötzlich gab
der Boden unter ihr nach.
Sie fiel in die Tiefe, zog instinktiv den Kopf ein, und als sie
auf der harten Erde landete, rollte sie instinktiv zur Seite ab. Das rettete
ihr das Leben, denn im nächsten Augenblick fiel ein dicker Baumstamm auf diese
Stelle, der sie erschlagen hätte, wenn sie nicht beiseite gerollt wäre.
Der Stamm fiel jedoch über ihr rechts Bein, und sie schrie vor
Angst und Schmerz laut auf. Erdklumpen und Nadeln regneten auf sie herab, dann
war alles still.
Sie hob vorsichtig den Kopf und sah hoch über sich ein Stück
blauen Himmel und grüne Zweige. Sie war in eine tiefe Grube gestürzt.
Normalerweise hätte sie nach oben klettern können, aber der Stamm fesselte sie
an den Boden.
»Hilfe!«
Ihre Stimme klang dumpf und hohl. Sie war allein. Kein Mensch war
in der Nähe.
Sie lauschte angestrengt und glaubte, ein
Rascheln zu hören. Ja, sie hörte es wieder ... diesmal ganz deutlich. Sie biß
die Zähne zusammen und drückte mit ganzer Kraft gegen den Stamm, aber er
bewegte sich nicht. Das Rascheln kam näher.
Dann hörte sie ein heiseres
Hecheln und tiefes Knurren. »Barmherziger Gott ...«, flüsterte sie. Es war ein
Wolf.
Delia wußte, daß Wölfe Menschen fressen, wenn
sie hungrig sind. Hoffentlich war dieser Wolf nicht hungrig, sondern nur neugierig.
Es würde bald dunkel werden. Der Himmel über ihr wurde grau, und die Zweige
schoben sich wie schwarze Finger über die Grube.
In ihrem Rücken fielen Erde und Nadeln herunter. Langsam wandte
Delia den Kopf und sah nach oben. Ihr Blick fiel auf zwei gelbe, glühende Augen
und spitze gefletschte Zähne. Sie schrie, und
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