Penelope Williamson
Mrs. Hooker, Sie werden
willkommen sein. Ich wollte Ihrem Mann nur sagen, daß er nicht damit rechnen
kann, daß die Kirche von Anfang an bis auf den letzten Platz voll sein wird.
Mit einigen Leuten wird er seine Mühe haben. In Maine gibt es jede Menge
sittenloser Galgenvögel.«
Zu Delias Verblüffung wurde Elizabeth bei dem Wort »sittenlos«
rot.
»Wir sagen, diese Holzfäller legen alles um, nicht nur Bäume«,
fügte er mit sichtlichem Vergnügen und vielsagend hinzu. »Die meisten dieser
Männer sind wirklich unberechenbar.«
Elizabeth sah Tyl so erschrocken wie ein unschuldiges kleines Kind
an, und Delia mußte an sich halten, um nicht eine passende Bemerkung zu machen.
In ihrer Hilflosigkeit stopfte sie sich den Mund mit Maisbrei voll.
»Und Sie, Dr. Savitch?« fragte Elizabeth scheu. »Werden Sie zum
Gottesdienst kommen?«
Wie würde Tyl seinen Kopf aus der Schlinge ziehen? Er gehörte
bestimmt nicht zu den fleißigen Kirchgängern. Der Wirt rettete Tyl. Er stand
hinter der schmierigen Theke und sagte: »Da oben in Maine gibt es viele
Raubtiere.«
»Was für welche?« wollte Delia wissen.
»Ach, Wölfe und Pumas. Natürlich auch Bären. Manche kommen aus dem
Bergen und sind riesengroß. Dann gibt es noch die zweibeinigen Wölfe, etwa die
Piraten ...«
»Piraten?« rief Delia und sah Tyl mit leuchtenden Augen an. »Gibt
es dort wirklich richtige Piraten? Vielleicht finden wir ja einen vergrabenen
Schatz!«
Tyl lachte. »Sie bezeichnen sich selbst lieber als 'Freibeuter',
und sie geben ihr Geld aus, anstatt es zu vergraben!«
»Aber die schlimmsten sind die Indianer«, sagte der Wirt und
strich sich bedächtig über das Stoppelkinn.
Elizabeth wurde leichenblaß und richtete sich
kerzengerade auf. »Indianer? Aber ich dachte, die Indianer seien inzwischen
befriedet. Sie haben einen Vertrag unterschrieben. Caleb, du hast doch gesagt
...«
»Es hat noch nie einen Indianer gegeben, der sich an einen Vertrag
hält!« rief der Wirt.
»Ich habe gehört«, sagte Delia eifrig, »daß die Indianer ihre
Gefangenen aufspießen und über dem offen Feuer wie Weihnachtsgänse braten.«
Als Elizabeth noch bleicher wurde und entsetzt die Augen schloß, lächelte sie
zufrieden.
»Das stimmt«, sagte der Wirt und nickte. »Aber das Aufspießen
kommt später. Zuerst quälen sie ihre Opfer mit glühenden Eisen und stechen
ihnen die Augen aus ...«
»Und dann ...«, aber Delia mußte nicht weitersprechen, denn
Elizabeth Hooker sprang so heftig auf, daß die Bank laut krachend umfiel. Sie preßte die Hand an den Mund,
rannte aus dem Raum und die wacklige Stiege nach oben unter das Dach, wo sie
schlafen würden.
Tyl war ebenfalls aufgestanden, und Delia dachte, er werde Elizabeth
folgen, aber er packte sie am Arm und zerrte sie vor die Tür.
Draußen angelangt, schüttelte er sie heftig und rief: »Ich sollte
dir einmal eine richtige Tracht Prügel verpassen!«
»Ich habe mich nur mit dem Wirt unterhalten. Was kann ich dafür,
wenn Ihre empfindliche Elizabeth bei jeder Kleinigkeit beinahe ohnmächtig
wird.«
»Elizabeth Hooker hat Angst, und du bist nicht dumm, Delia. Du
weißt es genau und willst ihr aus reiner Bosheit noch mehr Angst einjagen. Was
ist nur in dich gefahren?«
Hat dieser Mann ein Herz aus Stein, dachte Delia. Er muß doch
sehen, daß ich eifersüchtig auf Elizabeth bin, aber für ihn bin ich nur ein
lästiges Anhängsel.
Sie ließ den Kopf sinken und starrte auf die Erde. »Es tut mir
leid, Tyl«, sagte sie leise.
Er ließ sie los. »Du solltest dich nicht bei
mir entschuldigen ...«
»Ich werde mich bei ihr entschuldigen ... später. Aber vielleicht
sollten Sie sich auch entschuldigen, ich meine ... bei Reverend Hooker, weil
Sie wie ein Zuchtbulle seine Frau anstieren.«
»Was?!« rief Tyl und schnaubte wirklich wie ein
Stier. Delia hätte beinahe gelacht, aber eigentlich war ihr mehr nach Weinen
zumute.
»Sie glauben, es hätte niemand gemerkt, daß Sie den ganzen Tag
nicht von ihrer Seite gewichen sind und ihr ständig verliebte Blicke zugeworfen
haben? Es war ... es war einfach widerlich!«
Tyl stand mit geballten Fäusten bebend vor ihr. »Du denkst wirklich
wie jemand, der aus der Gosse stammt, Delia. Ein Mann kann zu einer Frau
höflich und freundlich sein, er kann sie sogar bewundern, ohne gleich mit ihr
schlafen zu wollen.«
»Sie können nicht bestreiten, daß Sie mit dieser Frau schlafen
wollen!«
»Ich bestreite es ...«
Er wollte nach ihrer Hand greifen, aber Delia drehte
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