Penelope Williamson
kannst«, sagte sie und errötete
leicht, als er neben ihr stand.
Er stellte die schwere Satteltasche auf den Boden, sah sie an und
wandte den Blick ab. Nach monatelangem Warten hatte Susan ihm am Abend zuvor
angeboten, mit ihm zu schlafen. Er hatte wenigstens soviel Anstand besessen,
es nicht zu tun. Seine Ablehnung war für Susan jedoch noch schmerzlicher als
alles andere gewesen.
Es war Tyl somit in den letzten vierundzwanzig Stunden gelungen,
die Gefühle zweier begehrenswerter Frauen zu verletzen, und deshalb war er an
diesem Morgen nicht gerade in bester Stimmung. Er konnte sich selbst nicht
ausstehen.
»Ich werde nicht lange in Merrymeeting bleiben, sondern schon
nächste Woche zurückkommen«, antwortete er. »Die Schwangerschaft einer Frau
auf Cape Elizabeth geht zu Ende, und sie ist sehr zierlich. Die Geburt wird ihr
vermutlich alles abverlangen, und ich habe versprochen, für alle Fälle zur
Stelle zu sein, wenn es Komplikationen geben sollte.«
Susan senkte den Kopf. »Ja, also ... du kannst natürlich hier übernachten.«
Tyl gelang es mit einiger Anstrengung, unverbindlich zu nicken,
aber er sagte nichts.
Sie standen neben dem großen schwarzen Kessel. Das Feuer war
ausgegangen. Die Seife war halb erstarrt und rissig. Delia und die Hookers
gingen zum Landesteg, wo gerade die beiden Ochsen auf den Schoner getrieben
wurden, der sie nach Merrymeeting bringen sollte. Caleb zeigte Delia etwas,
worüber sie laut lachte. Die morgendliche Brise trieb Tyl und Susan das
unbeschwerte Lachen zu.
»Wirst du die Kleine heiraten?« fragte Susan und bemühte sich um
einen beiläufigen, spöttischen Ton, was ihr aber nicht gelang.
Tyls Augen hingen an Delia, aber jetzt sah er Susan an, und sein
Gesicht wirkte zornig. »Ich habe nicht die Absicht zu heiraten ... weder jetzt
noch in Zukunft.«
Sie wurde blaß, und ihre Hände zitterten leicht. Tyl bedauerte
seine rücksichtslose Offenheit sofort, aber die Wahrheit mußte klar und
deutlich ausgesprochen werden. Er wollte ein Mißverständnis wie mit Delia nicht
noch einmal erleben.
Er preßte die Lippen zusammen und starrte wieder auf das
schwarzhaarige Mädchen vor dem Segelschiff. Sie war natürlich der eigentliche
Grund für seine Schuldgefühle, seine Verwirrung und seine Enttäuschung.
Du meine Güte, dachte er, da schläft man mit einer Frau oder denkt
nur daran, mit ihr zu schlafen, und schon fängt sie an, von Heirat zu reden und
Kinderliedchen zu singen ...
Delia hätte sich umdrehen müssen, um zu
sehen, daß Tyl sie beobachtete. Aber das war nicht nötig, denn sie spürte den
Blick seiner dunkelblauen Augen in ihrem Rücken. Die klopfenden Schmerzen
zwischen ihren Schenkeln ließen zwar allmählich nach, erinnerten sie aber noch
sehr deutlich an alles, was gestern geschehen war. Natürlich würde sie es
ohnehin nie vergessen können. Delia wußte, daß sie nicht vor ihm davonlaufen
konnte und wieder mit ihm reden mußte. Aber im Augenblick fühlte sie sich dazu
wirklich nicht in der Lage.
Jemand legte ihr die Hand auf den Arm. Als sie sich umdrehte,
stand Elizabeth vor ihr und sah sie besorgt an.
»Delia, ist alles in Ordnung? Du siehst aus, als ob ... nun ja,
als ob du jeden Augenblick in Tränen ausbrechen würdest.«
»Ich habe ... ich habe Heimweh«, log Delia schlagfertig. »Vielleicht
bin ich auch ein wenig aufgeregt. Schließlich werde ich bald Mr. Parker
kennenlernen und ...«
Das war keine Lüge. Sie hatte sich in einen
Mann verliebt und einem anderen die Ehe versprochen. Sie hatte sich Tyl
willentlich hingegeben, aber sie sollte die tugendhafte Frau eines anderen
sein. Jetzt mußte sie die Folgen auf sich nehmen. Delia zweifelte nicht daran,
daß ihr die Schande für alle sichtbar auf der Stirn geschrieben stand. Sie
hatte gehofft, daß für sie in Merrymeeting ein neues Leben beginnen würde – ein
Leben als ehrbare verheiratete Frau. Das alles hatte sie verspielt. Der arme
Nat Parker und seine zwei Töchter hatten etwas Besseres als sie verdient.
Caleb folgte seinen Ochsen an Bord und
vergewisserte sich, daß sie gut und sicher untergebracht waren. Elizabeth sah
ihrem Mann nach, der über Deck ging und auf einer Treppe nach unten verschwand.
Sie trat noch einen Schritt näher zu Delia und sagte leise: »Willst du
wirklich diesen Mr. Parker heiraten? Was ist denn mit Dr. Savitch? Mir scheint,
daß du und er ... also, ihr zwei seid allem Anschein nach so ...«
Delia biß sich auf die Unterlippe und starrte auf das Wasser. Sie
mußte
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