Penelope Williamson
kurzer Dauer.
»Ich hoffe, dir ist bewußt, daß du möglicherweise schwanger bist«,
sagte Tyl.
Ihr Herz verkrampfte sich unter dem Ansturm der widersprüchlichsten
Gefühle. »N ... nein ...«, flüsterte sie und schüttelte verwirrt den Kopf.
»Doch«, widersprach er ihr. »Du mußt mir versprechen, daß du mich
sofort benachrichtigst, wenn du feststellst, daß du schwanger bist.«
»Wirst du mich dann heiraten, wenn ich ein Kind von dir bekomme?«
Er schwieg, dann stieß er nicht gerade sehr freundlich hervor:
»Das muß ich wohl, oder? Du hast dich mir zwar freiwillig hingegeben, aber du
warst nun einmal eine unwissende Jungfrau.«
Sie glaubte zu ersticken.
Er haßt mich, dachte sie. Nein, vielleicht nicht mich, aber er
haßt den Gedanken, mich zu heiraten.
Als sie sich umdrehte und an Bord gehen wollte, stellte er sich
ihr in den Weg. »Versprichst du, es mir zu sagen, wenn du ein Kind bekommst,
Delia?«
»Du mußt keine Angst haben. Ich bin nicht schwanger!« fauchte sie
und lief an ihm vorbei.
Kapitän
Abbott, dem der Küstenschoner Sagadahoc Maiden gehörte, sah keineswegs
so aus, wie sich Delia einen Piraten vorgestellt hatte. Er trug eine bestickte
Seidenjacke mit Spitzen an den Ärmeln, die Haare fielen ihm in langen blonden
Locken über die Schultern, und er lächelte charmant genug, um auch das härteste
Frauenherz zu erweichen.
Delia erfuhr sehr schnell, daß Kapitän Abbott genaugenommen kein
Pirat war, sondern das, was man in Maine einen »Contrebandier« nannte. Er war
ein wichtiges Zwischenglied bei dem gewinnträchtigen, aber illegalen Handel
mit den französischen Siedlern in Acadia. Natürlich verschmähte es Kapitän
Abbott nicht, ein voll beladenes Handelsschiff etwas zu erleichtern, wenn der Sagadahoc
Maiden hin und wieder so eine fette Beute in den offenen Rachen schwamm.
»Jeder muß eben sehen, daß er auf seine Kosten kommt«, sagte der
Kapitän mit einem vielsagenden Lächeln zu Delia und warf einen bewundernden
Blick auf ihre runden Brüste.
Die leichte Brise bauschte die Segel, als sie
die Casco Bay durchfuhren. Der Schoner hatte schon viele stürmische Jahre
hinter sich und schaukelte unruhig auf den Wellen, aber Delia bemerkte vor
Aufregung nicht einmal den Seegang. Zum ersten Mal im Leben segelte sie auf den
endlosen Horizont zu, auch wenn der Horizont für sie diesmal nur die andere
Küste näherbrachte. Delia liebte die sanften Geräusche auf dem Schiff – das
Knarren der Wanten, das Flattern der Segel und Rauschen der Wellen am Bug. Der
Wind fuhr launisch durch ihre offenen Haare und spielte mit den Locken. Die
Gerüche von Fisch, Salz und nasser Leinwand weckten in ihr die alten Träume von
unbekannten Abenteuern.
Elizabeth reagierte ganz anders auf das Schaukeln des Schiffs. Sie
starrte mit großen Augen auf das zurückweichende Ufer mit den zerklüfteten
Klippen und den dazwischenliegenden Kiefernwäldern. Als Caleb sah, daß seine
Frau leichenblaß wurde, winzige Schweißtropfen auf ihre Stirn traten und sie
ein Spitzentaschentuch an die Lippen preßte, fragte er schnell Kapitän Abbott,
ob sie sich in seine Kabine zurückziehen dürften.
Während sie über die weite Casco Bay segelten,
erklärte Kapitän Abbott Delia mit sichtlichem Vergnügen die vorbeigleitenden
Sehenswürdigkeiten. In der Bucht lagen zahlreiche Inseln, die offenbar alle
Namen hatten. Auf einigen standen sogar Blockhütten oder Steinhäuser. Am Ufer
der größeren Inseln hatten die Fischer ihre Netze ausgebreitet oder Kabeljau
zum Trocknen auf die Holzgestelle gelegt.
Als Delia eine Robbe entdeckte, die neben ihnen herschwamm, befahl
Kapitän Abbott einem der Matrosen, aus den Vorratsbeständen ein paar Stücke
getrockneten Fisch zu bringen. Der Kapitän gab sie Delia, nahm sie bei der Hand
und zeigte ihr, wie sie der schlanken Robbe den Fisch zuwerfen sollte. Sie
lachten beide, als sich die Robbe auf den
Rücken drehte und mit den Flossen klatschte, als wolle sie sich für die
Leckerbissen bedanken. Dabei entging ihnen, daß Tyl an der alten Kanone lehnte
und sie verdrießlich beobachtete.
Sie brauchten fast den ganzen Tag, um die Bucht zu überqueren. Auf
der Ostseite begrüßte sie eine große Halbinsel mit hohen Kiefern und
Granitklippen. Sie umfuhren das Kap der Halbinsel und erreichten eine
Flußmündung, einen breiten, grauen Kanal mit dunkelgrünen Inseln, die sich
sieben Meilen weit in die halbmondförmige Merrymeeting Bay erstreckten.
Die untergehende Sonne färbte die
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